Streiflichter aus Amerika
Den Hügel, von dem aus das Bild aufgenommen war, überzieht nun ein circa acht Quadratkilometer großer Wald, und fast das gesamte Land von hinter unseren Häusern bis zu den fernen Bergen ist von dichten, hohen Waldungen bedeckt, von denen 1874 kaum ein Zweiglein existierte.
Die Farmen verschwanden, weil die Farmer nach Westen in fruchtbarere Landstriche, nach Illinois und Ohio, oder in die aufsprießenden Industriestädte zogen, wo die Löhne verläßlicher und üppiger waren. Die Höfe, die sie hier hinterließen, und manchmal die dazugehörigen Dörfer verfielen und verwandelten sich allmählich wieder in Wildnis. Auf Wanderungen in den Wäldern Neuenglands findet man, verborgen in Farn und Gebüsch, überall Reste alter Steinwände und die Grundmauern verlassener Scheunen und Bauernhäuser.
Nicht weit von unserem Haus ist ein Wanderweg, der der Route einer Poststraße aus dem achtzehnten Jahrhundert folgt. Neunundzwanzig Kilometer lang windet sich der Pfad durch dichte, dunkle, scheinbar uralte Wälder, aber es leben noch Menschen, die sich an die Zeiten erinnern, als sie noch Bauernland waren. Nur ein Stück abseits der alten Poststraße, etwa sechseinhalb Kilometer von hier entfernt, befand sich das Dorf Quinntown. Es hatte eine Mühle, eine Schule und mehrere Häuser und ist auf alten topographischen Karten noch verzeichnet.
Ein paarmal habe ich mich bei meinen Spaziergängen nach Quinntown umgesehen, aber selbst mit einer guten Karte ist es offenbar unmöglich, den Standort zu finden, eben weil man sich umgeben von all den Bäumen so schlecht orientieren kann. Ich kenne einen Mann, der schon seit Jahren nach Quinntown sucht, es aber bisher nicht gefunden hat.
Am letzten Wochenende habe auch ich es wieder einmal probiert. Es hatte frisch geschneit, da ist es im Wald immer besonders schön. Natürlich hoffte ich insgeheim, daß ich auch auf eine Spur des verschwundenen Flugzeuges stoßen würde. Ich rechnete eigentlich nicht damit – ich war zehn, zwölf Kilometer von der mutmaßlichen Absturzstelle entfernt –, doch irgendwo da draußen mußte das Ding ja sein, und es war sehr wahrscheinlich, daß in dieser Gegend noch keiner gesucht hatte.
Also stapfte ich fröhlich los. Ich kriegte eine Menge frische Luft und viel Bewegung, und die zart verschneiten Bäume sahen phantastisch aus. Aber es war schon ein komischer Gedanke, daß in dieser unendlichen Stille irgendwo die Überbleibsel eines einst blühenden Dorfes und, noch komischer, außer mir hier draußen auch ein unauffindbares, zerschmettertes Flugzeug mit zwei Leichen an Bord war.
Ich hätte Ihnen ja liebend gern erzählt, daß ich Quinntown oder den vermißten Flieger oder beides gefunden hätte, aber leider muß ich passen. Das Leben hat manchmal unvollständige Schlüsse.
Kolumnen auch.
»Hail to the Chief« – Es lebe der Boß!
Morgen ist Presidents Day in Amerika. Ja, ja! Ich halt's auch schon kaum noch aus vor Aufregung.
Presidents Day ist für mich ein neuer Feiertag. In meiner Kindheit und Jugend hatten wir zwei präsidiale Feiertage – am 12. Februar Lincolns und am 22. Februar Washingtons Geburststag. Vielleicht habe ich die beiden Daten nicht genau getroffen, ja, liege sogar völlig daneben, aber meine Kindheit und Jugend sind, ehrlich gesagt, schon lange her, und die beiden Feiertage waren sowieso uninteressant. Man bekam keine Geschenke, und Picknicks oder Freßgelage wurden auch nicht veranstaltet.
Bei Geburtstagen besteht, wie Sie sicher selbst schon einmal festgestellt haben, das Problem, daß sie auf jeden Tag der Woche fallen können. Da die meisten Menschen aber einen Feiertag gern an einem Montag haben, weil sie dann ein schönes langes Wochenende kriegen, beging man eine Weile lang Washingstons und Lincolns Wiegenfest an den Montagen, die den korrekten Daten am nächsten lagen. Das wiederum störte gewisse Leute, und man beschloß, nur an einem Tag zu feiern, am dritten Montag im Februar, und das Ganze Presidents Day zu nennen.
Man wollte damit alle Präsidenten ehren, ob sie gut oder schlecht waren, was ich klasse finde, weil es uns die Möglichkeit verschafft, auch der eher unbekannten oder abstruseren Männer zu gedenken – wie Grover Clevelands, der nach der Legende die interessante Angewohnheit hatte, sich aus seinem Bürofenster zu erleichtern, oder Zachary Taylor, der niemals an einer Wahl teilnahm und nicht einmal sich selbst wählte.
Alles in allem genommen, hat Amerika eine erkleckliche Anzahl großer
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