Streiflichter aus Amerika
waren auch Rutherford B. Hayes und Franklin Pierce. Ersterer, Präsident von 1877 bis 1881, sah sein Hauptanliegen darin, unermüdlich für »hartes Geld« einzutreten und den Bland-Allison-Erlaß aufzuheben, beides so sinnlos und abstrus, daß heute keiner mehr weiß, um was es sich dabei handelte. Pierce' Amtszeit von 1853 bis 1857 war ein unbedeutendes Zwischenspiel zwischen zwei längeren Perioden der Anonymität. Er verbrachte buchstäblich seine gesamte Amtszeit sinnlos betrunken, was zu dem netten Bonmot führte: »Franklin Pierce, der Held, der sich mit so mancher Flasche tapfer geschlagen hat.«
Meine Top-Favoriten sind indes die beiden Präsidenten mit Namen Harrison. William Henry Harrison weigerte sich 1841 bei seiner Amtseinführung heldenhaft, einen Mantel zu tragen, holte sich eine Lungenentzündung und segnete mit liebenswürdiger Promptheit das Zeitliche. Er war gerade einmal dreißig Tage Präsident, davon die meiste Zeit bewußtlos. Sein vierzig Jahre später gewählter Enkel Benjamin Harrison war bei dem anspruchsvollen Ziel erfolgreich, in vier Jahren genausowenig zu schaffen wie sein Großvater in einem Monat.
Meiner Ansicht nach verdienen alle diese Männer einen eigenen Feiertag. Sie können sich also meine Bestürzung vorstellen, als ich hörte, daß man im Kongreß dabei ist, den Presidents Day abzuschaffen und Lincolns und Washingtons Geburtstag wieder separat zu feiern, mit der Begründung, daß die beiden wirklich große Männer waren und darüber hinaus auch nicht aus dem Fenster gepinkelt haben. Ist denn das zu fassen? Manche Leute haben kein Geschichtsbewußtsein.
Kälteexperimente
In der kalten Jahreszeit wage ich immer gern etwas Tollkühnes: Ohne Mantel, Handschuhe oder andere schützende Hüllen gegen die Unbilden der Elemente gehe ich die etwa dreißig Meter bis vorn zu unserer Hauseinfahrt und hole die Morgenzeitung aus der kleinen Kiste an dem Pfosten.
Nun sagen Sie vielleicht: Was ist denn daran tollkühn? Und in einer Hinsicht hätten Sie ja auch recht: Hin und zurück dauert es nicht länger als zwanzig Sekunden. Aber manchmal lungere ich noch ein wenig herum, um zu sehen, wie lange ich die Kälte aushalten kann. Und das ist das Tollkühne.
Ich will ja nicht prahlen, aber ich widme einen großen Teil meines Lebens der Erprobung dessen, wie weit der menschliche Körper Extremsituationen gewachsen ist, und denke dabei selten über die langfristigen, potentiellen Gefahren für mich selbst nach. Zum Beispiel erlaube ich einem meiner Beine im Kino, fest einzuschlafen, und schaue dann, was passiert, wenn ich aufstehe, um Popcorn zu kaufen, oder ich schlinge ein Gummiband um meinen Zeigefinger und sehe, ob ich ihn zum Platzen bringen kann. Bei derlei Einsätzen habe ich einige bedeutende Entdeckungen gemacht, so etwa, daß sehr heiße Oberflächen nicht unbedingt heiß aussehen und daß man zeitweiligen Gedächtnisverlust zuverlässig hervorrufen kann, wenn man seinen Kopf unmittelbar unter eine herausgezogene Schublade plaziert.
Sie betrachten ein solches Verhalten wahrscheinlich instinktiv als närrisch, aber ich möchte Ihnen in Erinnerung rufen, wie oft Sie selbst schon den Finger in eine kleine Flamme gehalten haben, um zu sehen, was passierte (und he, was ist denn passiert?), oder erst auf dem einen Bein und dann auf dem anderen im kochendheißen Badewasser gestanden und gewartet haben, daß kaltes Wasser zufloß und die Temperatur herunterging, oder an einem Küchentisch gesessen und sich still damit beschäftigt haben, schmelzendes Kerzenwachs auf Ihre Finger tropfen zu lassen. (Ich könnte natürlich noch vieles andere mehr auflisten.)
Wenn ich mich solchen Experimenten widme, dann zumindest von ernsthafter wissenschaftlicher Neugierde getrieben. Und deshalb hole ich, wie eingangs erwähnt, gern die Morgenzeitung in der leichtesten Bekleidung, die Sitte und Anstand und Mrs. Bryson erlauben.
Als ich heute morgen aufbrach, herrschten minus 28 Grad Celsius – eine Temperatur, bei der einem der Allerwerteste und alles mögliche andere abfriert, wie man wohl scherzhaft zu behaupten pflegt. Wenn Sie keine lebhafte Phantasie haben oder das hier nicht in einer Gefriertruhe sitzend lesen, fällt es Ihnen eventuell schwer, sich eine solche Kälte vorzustellen. Darum will ich Ihnen sagen, wie kalt es ist: saukalt.
Wenn Sie bei dieser Temperatur hinaustreten, sind Sie im ersten Augenblick überrascht, wie erfrischend es ist – nicht unähnlich dem Gefühl, wie wenn man in
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