Streiflichter aus Amerika
Präsidenten hervorgebracht – Washington, Lincoln, Jefferson, Franklin und Teddy Roosevelt, Woodrow Wilson, John F. Kennedy. Es hat auch etliche große Männer hervorgebracht, die außerdem noch Präsidenten geworden sind, unter anderem James Madison, Ulysses
S. Grant und – für Sie vielleicht überraschend, wenn ich das sage – Herbert Hoover.
Für Hoover hege ich eine gewisse Achtung – Zuneigung wäre übertrieben –, denn er stammte aus Iowa und ich auch. Außerdem verdient der arme Kerl unser aller Mitleid. Er ist der einzige Mann in der Geschichte der USA, für den der Einzug ins Weiße Haus ein schlechter Karriereschritt war. Wenn die Leute heute überhaupt noch an Hoover denken, dann deshalb, weil er der Menschheit die Weltwirtschaftskrise bescherte. Kaum jemand erinnert sich an seine davorliegenden exorbitanten, ja heroischen Leistungen.
Betrachten Sie seinen Lebenslauf: Mit acht Waise, schaffte er es aus eigener Kraft, zu studieren (er war im ersten Examensjahrgang der Stanford University), und wurde ein erfolgreicher Bergbauingenieur im Westen der Vereinigten Staaten. Dann ging er nach Australien, wo er mehr oder weniger im Alleingang die westaustralische Bergwerksindustrie ankurbelte – immer noch eine der produktivsten der Welt –, und landete schließlich in London, wo er irrsinnig reich und ein großes Tier in der Wirtschaft wurde.
Ja, er war ein Mann von solchem Format, daß er beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges gebeten wurde, der britischen Regierung beizutreten. Doch er lehnte ab und organisierte statt dessen die Hungerhilfe für Europa, ein Job, den er so hervorragend erledigte, daß er schätzungsweise zehn Millionen Menschen das Leben rettete. Am Ende des Krieges war er einer der bewundertsten und geachtesten Männer der Welt und überall als einer der großen Wohltäter der Menschheit bekannt.
Nach Amerika zurückgekehrt, wurde er engster Berater Woodrow Wilsons und dann Handelsminister unter Harding und Coolidge. Unter seiner Ägide stiegen die US-amerikanischen Exporte in acht Jahren um achtundfünfzig Prozent. Als er sich 1928 um die Präsidentschaft bewarb, wählte man ihn mit überwältigender Mehrheit.
Im März 1929 wurde er ins Amt eingeführt. Sieben Monate später gab es an der Wall Street den großen Börsenkrach, und die Wirtschaft trudelte in ein tiefes Loch. Entgegen landläufiger Meinung reagierte Hoover sofort. Er gab mehr Geld für den öffentlichen Bausektor und die Erwerbslosenunterstützung aus als alle seine Vorgänger zusammen, stellte fünfhundert Millionen Dollar Hilfe für in Bedrängnis geratene Banken zur Verfügung und spendete sogar sein eigenes Gehalt für wohltätige Zwecke. Aber er hatte nichts Populistisches und machte sich bei der Wählerschaft unbeliebt, weil er immer wieder behauptete, daß die wirtschaftliche Erholung unmittelbar bevorstehe. Die Niederlage, die er 1932 erlitt, war ebenso haushoch wie sein Wahlsieg vier Jahre zuvor, und man erinnert sich seitdem an ihn als erbärmlichen Versager.
Na, wenigstens erinnert man sich überhaupt an ihn, was mehr ist, als man über viele unserer ehemaligen Staatsoberhäupter sagen kann. Von den einundvierzig Männern, die es ins Amt des Präsidenten schafften, hat sich mindestens die Hälfte derart wenig ausgezeichnet, daß sie nun beinahe vollkommen vergessen sind. Meiner Ansicht nach verdienen sie aber wärmstes Lob. Als Präsident der Vereinigten Staaten überhaupt nichts zu leisten ist schließlich auch eine Leistung.
Nach fast einhelliger Auffassung war der obskurste und ineffizienteste aller unserer Führer Millard Fillmore, der nach dem Tod von Zachary Taylor ins Amt kam und die nächsten drei Jahre demonstrierte, wie das Land regiert worden wäre, wenn man Taylors Leiche einfach nur in Kissen in einen Sessel gepackt hätte. Jetzt wird Fillmore wegen seiner Obskurität so gefeiert, daß er gar nicht mehr obskur ist, was ihn indes für weitere ernsthafte Betrachtungen disqualifiziert.
Ich persönlich finde den großen Chester A. Arthur viel bemerkenswerter. Er wurde 1881 als Präsident vereidigt, posierte für das offizielle Foto, und dann hat man, soweit ich in Erfahrung bringen konnte, nie wieder etwas von ihm gehört. Wenn Arthurs Lebensziel darin bestand, sich prächtiges Gesichtshaar wachsen zu lassen und in den Geschichtsbüchern viel Platz für die Leistungen anderer Männer freizulassen, dann kann man seine Präsidentschaft als Bombenerfolg verbuchen.
Auf ihre Art bewundernswert
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