Streiflichter aus Amerika
nichts!«
Also, Entschuldigung bitte, so stimmt das nun auch wieder nicht. Meines Wissens habe ich auf ebendiesen Seiten einmal ein paar Lobesworte über amerikanische Müllentsorgeapparaturen verloren, und ich weiß auch ganz genau, daß ich unsere hiesige Post empfohlen haben, weil sie mir am Kundentag einen Donut spendiert hat. Doch vielleicht hat Mrs. B. doch nicht ganz unrecht.
Es gibt viele wunderbare Dinge in diesem Land, die Lob verdienen – wobei mir natürlich sofort die Bill of Rights, der Grundrechtekatalog, der Freedom of Information Act, das Recht jeden Bürgers auf Akteneinsicht, und selbstverständlich Gratisstreichholzbriefchen einfallen. Doch nichts übertrifft die Freundlichkeit der Menschen.
Als wir in diese kleine Stadt in New Hampshire gezogen sind, empfingen uns die Einwohner, als sei unsere Anwesenheit das einzige, was ihnen bisher zum vollkommen Glück noch gefehlt habe. Sie brachten uns Kuchen und Pasteten und Wein. Keiner sagte: »Ach, Sie sind es, die für die Bruchbude von den Millers ein Vermögen bezahlt haben«, was, glaube ich, die traditionelle Begrüßung in England ist. Als die Nachbarn direkt neben uns hörten, daß wir zum Essen ausgehen wollten, protestierten sie und meinten, es sei doch zu traurig, daß wir am ersten Abend in einer neuen Stadt in einem fremden Restaurant essen müßten, und bestanden darauf, daß wir sofort zu ihnen zum Abendbrot kamen, als sei es ein Klacks, sechs Extramäuler zu füttern.
Und als sich die Nachricht verbreitete, daß unsere Möbel auf einem Containerschiff waren, das von Liverpool offenbar via Port Said, Mombassa und die Galapagosinseln nach Boston tuckerte, und wir vorläufig nichts hatten, auf dem wir schlafen, sitzen oder essen konnten, kam ein Strom freundlicher Fremder (von denen ich viele nie wiedergesehen habe) mit Stühlen, Lampen, Tischen und sogar einer Mikrowelle unseren Eingangsweg hochgetrapst.
Es war phantastisch und ist es immer noch. Letztes Jahr Weihnachten waren wir zehn Tage in England, und als wir spätabends hungrig von unserer Reise nach Hause kamen, stellten wir fest, daß ein Nachbar unseren Kühlschrank nicht nur mit dem Notwendigen, sondern sogar mit Leckereien gefüllt und frische Blumen in Vasen gestellt hatte. So was ist hier gang und gäbe.
Neulich ging ich mit einem meiner Kinder zu einem Basketballspiel der hiesigen Universitätsmannschaft. Wir kamen kurz vor Spielbeginn und stellten uns in eine Schlange vor einem Kartenschalter. Nach einer Minute trat ein Mann auf mich zu und sagte: »Warten Sie, um eine Eintrittskarte zu kaufen?«
Nein, wollte ich schon antworten, ich stehe hier, damit die Schlange eindrucksvoller wird, doch dann sagte ich nur: »Ja.«
»Sie können die haben«, erwiderte er und schob mir zwei Karten in die Hand.
Auf Grund jahrelangen dämlichen Mißverstehens von derlei Situationen war mein erster Gedanke, daß er Schwarzhändler und irgendwo ein Haken an der Sache war. »Wieviel?« fragte ich mißtrauisch.
»Nichts, nein, Sie können sie haben. Umsonst. Wir können nicht.« Er zeigte auf ein Auto mit laufendem Motor; eine Frau saß auf dem Beifahrersitz.
»Wirklich?« sagte ich. »Na, vielen Dank.« Und dann fiel mir etwas auf. »Sind Sie extra hierhergefahren, um zwei Eintrittskarten zu verschenken?«
»Sonst wären sie verfallen«, sagte er entschuldigend. »Viel Spaß beim Spiel.«
Von solchen Sachen könnte ich endlos erzählen – von dem jungen Mann, der die verlorene Brieftasche meines Sohnes, in der sich fast der gesamte Lohn von dessen Sommerjob befand, zurückbrachte und keine Belohnung annehmen wollte; von den Angestellten des Kinos, die, wenn es zu regnen anfängt, hinausgehen und die Fenster der in den umliegenden Straßen parkenden Autos zumachen, weil sicher einige der Wagen den Kinogästen gehören, die ja nicht wissen können, daß es regnet; von den Polizisten in unserer Stadt, die sich, als die Frau des Polizeichefs während der Chemotherapie ihre Haare verlor, aus Solidarität mit ihr auch den Kopf kahlscheren ließen und Geld für eine Krebsstiftung sammelten.
Daß die Leute ihre Autos unverschlossen und mit offenen Fenstern stehenlassen, spricht natürlich auch Bände über unser Gemeinwesen. Tatsache ist, es gibt hier keine Kriminalität. Keine. Die Leute stellen ganz locker ihr Fünfhundertdollarfahrrad an einen Baum und gehen einkaufen. Und wenn es jemand stehlen würde, würde der Bestohlene garantiert hinter dem Dieb herlaufen und rufen: »Können
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