Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
Film zu sehen, mußte man fast fünfzig Minuten Werbung ertragen, die auf etwa zwanzig Unterbrechungen verteilt war. (Im Durchschnitt kam alle sieben Minuten ein Spot.)
    Neil Postman berichtet in seinem Buch Wir amüsieren uns zu Tode , daß der Durchschnittsamerikaner pro Woche über eintausend Fernsehwerbespots über sich ergehen lassen muß. Wenn das normale amerikanische Kind achtzehn wird, hat es nicht weniger als dreihundertundfünfzigtausend Fernsehwerbungen angeglotzt.
    Doch selbst wenn man gar nicht mehr hinschaut, wird man heutzutage zunehmend mit Quasiwerbung berieselt. ABC brachte kürzlich eine Sondersendung über die Entstehung des Disney-Films Der Glöckner von Notre Dame . Laut New York Times widmeten mehrere ABC-Stationen einen Teil ihrer Hauptabendnachrichten »einer Gala, die Disney für den Film in New Orleans veranstaltete«. Zufällig ist ABC Eigentümer der Firma Disney.
    Zwischenzeitlich verkündete der History Channel Pläne für eine Serie Die großen Unternehmer , in dem Geschichte und Leistungen von Firmen wie Boeing, Du Pont und General Motors gefeiert werden sollten. Die Sendungen sollten von – halten Sie die Luft an! – den Unternehmen selbst hergestellt werden. Als man die Programmgestalter dieses »Geschichts«-Kanals darauf aufmerksam machte, daß das ganze Unterfangen doch bei weitem zu anrüchig sei, verzichteten sie darauf.
    Weniger getrübt von Überlegungen zu Glaubwürdigkeit und Objektivität war CNBC, ein weiterer Kabelsender, der den Start einer neuen wöchentlichen Informationssendung namens Scan verkündete. Darin sollte über die neuesten technologischen Entwicklungen berichtet werden – oder, um es einen Tick präziser auszudrücken, über die neuesten Entwicklungen, die dem Sponsor IBM genehm waren, der die redaktionelle Kontrolle innehatte. »Es sind ja keine harten Nachrichten«, erklärte ein CNBC-Sprecher. »Es sind Features.« Ach ja, dann geht das wohl in Ordnung.
    Kurz und gut, vor der Werbung hier gibt's kein Entrinnen –und zwar nicht nur im eigenen Heim. Zu meinem Entsetzen muß ich berichten, daß viele tausend Schulen überall in den Vereinigten Staaten nun zumindest teilweise mit Lehrmaterial arbeiten, das von Firmen zur Verfügung gestellt wird. Über Ernährung lernen die Schüler etwas von McDonald's und über Natur- und Umweltschutz von Exxon. Seit 1989 strahlt eine Firma namens Channel One Unterrichtsprogramme über schulinterne Fernsehanlagen aus. Die Filme kosten nichts, aber sie strotzen von Werbung, die besonders auf junges Publikum zielt. Also, ich würde das ja als offenkundigen, vollkommen inakzeptablen Mißbrauch bezeichnen, aber damit scheine ich einer Minderheit anzugehören. Channel One ist der Hit; seine Geräte stehen in dreihundertundfünfzigtausend Klassenzimmern.
    Selbst Sesamstraße – und das ist wahrhaft herzzerreißend – ist nun, um den Boston Globe zu zitieren, eine »ununterbrochene dreißigminütige Werbesendung«. Laut Angaben des Globe umfaßt das Sesamstraßenmerchandising ein Volumen von über achthundert Millionen Dollar im Jahr, und die Chefs der Sendung streichen Jahresgehälter von bis zu zweihunderttausend Dollar ein. Weil Sesamstraße aber vom öffentlichen Fernsehen ausgestrahlt wird, erhält sie von der Regierung jährlich sieben Millionen Dollar Subvention.
    Ich wollte schon sagen, was würde passieren, wenn sie die sieben Millionen statt dessen für Schulen in Problembezirken ausgäben, doch dann fiel mir ein, daß natürlich folgendes der Fall sein würde: Sie wurden noch mehr Fernseher kaufen, um noch mehr Klassen mit Channel One zuzudröhnen.
    Mittlerweile habe ich natürlich doch rasende Kopfschmerzen, also nehme ich ein Tylenol. Soweit ich weiß, hat eine Umfrage ergeben, daß es Amerikas beliebtestes Schmerzmittel ist. Oder vielleicht war es auch Pepsi.

    Freundliche Menschen

    Eigentlich wollte ich auch diese Woche über das eine oder andere Ärgernis im amerikanischen Leben berichten. Aber da brachte mir Mrs. Bryson (die, nebenbei bemerkt, eine Seele von Mensch ist) eine Tasse Kaffee, las die ersten paar Zeilen auf dem Computerbildschirm, grummelte: »Mecker, mecker, mecker!« und schlurfte von dannen.
    »Wie bitte, meine taubenetzte englische Rose!« rief ich.
    »Immer nur meckerst du in der Kolumne.«
    »Aber die Welt braucht es, daß man sie zurechtrückt, meine wonnige, kirschwangige Tochter Albions«, erwiderte ich gelassen. »Außerdem ist Meckern mein Job.«
    »Sonst kannst du ja auch

Weitere Kostenlose Bücher