Streiflichter aus Amerika
Smoltz, Pitcher im AtlantaBraves-Baseballteam, eines Tages mit einem schmerzhaft aussehenden roten Striemen um die Brust beim Training aufkreuzte, und – auf drängende Nachfragen – kleinlaut zugab, daß er versucht habe, ein Hemd zu bügeln, während er es am Leibe trug.
Dann wurde mir klar, daß ich selbst etwas so Beklopptes einzig und allein aus dem Grund noch nie angestellt habe, weil es mir nicht eingefallen ist.
Drittens, und das war ausschlaggebend, verließ ich vor zwei Tagen abends das Haus, um zwei Kleinigkeiten zu erledigen – Pfeifentabak kaufen und ein paar Briefe einstecken. Ich kaufte den Tabak, nahm ihn mit über die Straße zum Briefkasten, öffnete die Klappe und warf ihn hinein. Ich erzähle Ihnen nicht, wie weit ich schon wieder gelaufen war, bis mir dämmerte, daß das nicht die hundertprozentig korrekte Ausführung meines ursprünglichen Vorhabens war.
Sie merken schon, worum's geht. Jemand, der auf Briefkästen Schilder mit der Warnung braucht »Keinen Tabak oder andere persönliche Gegenstände hineinwerfen!«, kann sich ja wohl schlecht über andere Leute lustig machen, selbst wenn sie ihren Brustkorb bügeln oder sich über ihre Shampooinfonummer Orientierungshilfe fürs Schaumschlagen holen.
All das erwähnte ich neulich abends beim Essen und war entsetzt, mit welchem Eifer und Enthusiasmus meine Angehörigen begannen, Schilder vorzuschlagen, die besonders geeignet für mich wären. »Bitte beachten! Wenn auf Tür ›Ziehen‹ steht, ist es absolut zwecklos zu drücken«, »Warnung! Versuchen Sie nicht, Pullover über dem Kopf auszuziehen, während Sie zwischen Tischen und Stühlen herumlaufen«, »Vorsicht! Stellen Sie sicher, daß sich Hemdknöpfe in korrekten Löchern befinden, bevor Sie das Haus verlassen«, fanden stürmischen Anklang. Und des Scherzens war kein Ende.
Ich räume ein, daß ich manchmal ein wenig zerstreut bin und mich reichlich ungeschickt anstelle, wenn es um ein adrettes Äußeres geht oder darum, durch niedrige Türen zu laufen. Aber es liegt an meinen Genen. Erlauben Sie mir zu erklären.
Neulich habe ich einen Artikel über eine Studie an der Universität von Michigan oder vielleicht auch der Universität von Minnesota (es war jedenfalls wo Kaltes und hatte »Universität« in der Überschrift) aus der Zeitung ausgerissen. Darin stand, daß Zerstreutheit eine Veranlagung ist, die vererbt wird. Ich steckte den Zeitungsausschnitt in einen Ordner mit der Bezeichnung »Zerstreutheit« und verlegte den Ordner natürlich sofort.
Als ich ihn jedoch heute morgen gesucht habe, fand ich einen anderen, der das verheißungsvolle Etikett »Gene etc.« trug. Der und – das war Glück im Unglück – stellte sich als genauso interessant heraus. Ich entdeckte darin die Kopie eines Berichts aus der Zeitschrift Science vom neunundzwanzigsten November 1996. Titelzeile: »Beziehung angstbezogener Persönlichkeitsstrukturen zu Polymorphismus in der Genregulation des Serotonintransports«.
Ich will gleich ehrlich zugeben, daß ich Polymorphismus im Serotonintransport nicht so gewissenhaft verfolge, wie ich sollte, jedenfalls nicht während der Basketballsaison. Doch als ich mir das Ganze zu Gemüte führte, dachte ich gleich: Hey, die Jungs sind auf einer heißen Spur!
Sie haben nämlich ein Gen lokalisiert (und zwar Gen Nummer SLC6A4 auf Chromosom 17ql2, für den Fall, daß Sie zu Hause experimentieren wollen), das entscheidet, ob man von Natur aus Pessimist ist oder nicht. Um es präzise zu sagen: Wenn man eine lange Version des Gens SLC6A4 hat, ist man höchstwahrscheinlich locker und ausgeglichen; doch wenn man die kurze hat, kann man nicht von zu Hause weggehen, ohne irgendwann panisch zu verkünden: »Haltet mal an! Ich glaube, ich habe das Badewasser laufen lassen.«
In der Praxis heißt das: Wenn Sie kein geborener Pessimist sind, brauchen sie sich keine Sorgen zu machen (würden es aber sowieso nicht). Wenn Sie freilich von Natur aus Schwarzseher sind, können Sie absolut nichts daran ändern und brauchten sich eigentlich auch keine Sorgen mehr zu machen. Doch das wiederum schaffen Sie ja nicht. Wenn Sie diese Überlegungen jetzt mit den vorher erwähnten Befunden über Zerstreutheit an der Universität von Irgendwo Kaltes zusammenbringen, dann glaube ich, begreifen Sie, daß unsere Gene für eine Menge verantwortlich sind.
Hier noch ein interessanter Fakt aus meinem »Gene etc.«-Ordner. Laut Richard Dawkins, Der blinde Uhrmacher , enthält jede der zehn
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