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Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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die Welt.
    Falls Sie nicht damit vertraut sind – es handelt sich um kleine Tabletts, Deckel oder andere Halter mit Löchern für Tassen und sonstige Trinkgefäße, die man an den verschiedensten Stellen in jedem modernen amerikanischen Auto findet. Oft sind sie auf Rückenlehnen montiert oder in Armlehnen eingebaut, an denen Sie niemals nach einer Vorrichtung zur Getränkeaufbewahrung suchen würden. Wenn Sie hier irgendwo in einem Auto auf einen unbekannten Knopf drücken, setzen Sie meiner Erfahrung nach entweder die Heckscheibenwischer in Gang, die, sosehr Sie auch versuchen, sie anzuhalten, für alle Ewigkeit alle sechs Sekunden mit einem schweren Schleifgeräusch über das Glas schrappen, oder aber ein Becherhalter gleitet heraus, kommt hoch, fällt herab oder tritt sonstwie durch Zauber in Ihr Leben.
    Die Bedeutung von Becherhaltern in amerikanischen Autofahrerkreisen ist heutzutage gar nicht hoch genug zu bewerten. Neulich brachte die New York Times einen langen Artikel über ein Dutzend getesteter Familienwagen. Sie wurden nach zehn Merkmalen beurteilt – Motorgröße, Kofferraumplatz, Lenkeigenschaften, Stoßdämpfung und... ja, auch der Anzahl der Becherhalter. Ein uns bekannter Autohändler sagt, sie gehören zum ersten, wonach die Leute fragen, womit sie spielen oder was sie kommentieren, wenn sie sich ein Auto anschauen. Die Anzahl der Becherhalter ist eins der Kriterien, nach dem sie sich für den Kauf eines Wagens entscheiden! Fast alle Autoanzeigen erwähnen die Dinger im Text an prominenter Stelle.
    Es gibt Wagen, wie zum Beispiel der neue Dodge Caravan, die siebzehn Becherhalter haben. Siebzehn! In den größten Kleinbus passen sieben Leute. Man muß kein Atomphysiker und nicht einmal hellwach sein, um auszurechnen, daß das 2,428 Periode Becherhalter pro Fahrgast sind. Warum, werden Sie sich mit Recht fragen, braucht jeder Insasse eines Fahrzeugs 2,43 Becherhalter? Darüber lohnt es sich nachzudenken.
    Sicher, Amerikaner konsumieren wahrhaft erschütternde Mengen an Flüssigkeit. In einer unserer Tankstellen hier, habe ich gehört, wird ein künstlich aromatisiertes Gesöff namens Slurpee in Behältern bis zu eindreiviertel Litern verkauft. Es handelt sich dabei um eine widerwärtig süßliche Plörre, die einem die Zunge blau färbt. Aber selbst wenn jeder Insasse des Autos ein Slurpee und eine Flasche Magnesiamilch abstellen würde, mit der man die Nebenwirkungen bekämpfen muß, blieben drei Becherhalter leer.
    Doch es gibt eine lange Tradition, das Innere amerikanischer Kraftfahrzeuge mit allem möglichen, Komfort bietenden Chi-chi auszustatten; der Überfluß an Becherhaltern ist wohl ein Auswuchs dieser Tradition.
    Die Leute wollen, daß ihre Autos schön bequem sind, weil sie darin leben. Für fast vierundneunzig Prozent aller Privatfahrten wird das Auto benutzt. (In Großbritannien beträgt der Anteil etwa sechzig Prozent, was schon schlimm genug ist.) Hier fahren die Leute nicht nur zum Einkaufen generell mit dem Auto, sondern sogar von einem Laden zum anderen. Die meisten Geschäfte haben eigene Parkplätze. Wenn also jemand sechs Besorgungen machen muß, wird er bei einem einzigen Trip das Auto sechsmal bewegen, selbst um in zwei Läden zu gelangen, die einander gegenüberliegen.
    In den Vereinigten Staaten gibt es zweihundert Millionen Autos – das sind vierzig Prozent der Gesamtzahl auf der Erde für etwa fünf Prozent der Weltbevölkerung –, und jeden Monat rollen zwei Millionen mehr vom Band. (Nicht wenige werden auch buchstäblich aus dem Verkehr gezogen). Trotzdem gibt es heute etwa doppelt so viele Autos in den USA wie vor zwanzig Jahren, und sie fahren auf doppelt so vielen Straßen und kommen gewiß auf doppelt so viele Fahrkilometer.
    Ergo: Weil die Amerikaner viele Autos besitzen und viel Zeit darin verbringen, möchten sie es auch schön wohnlich haben. Es gibt freilich eine Grenze, bis zu der man ein Wageninneres mit allerlei Fisimatenten ausstaffieren kann. Was ist da besser, als es mit flotten Becherhaltern zu schmücken, besonders, wenn die Leute darauf stehen? Das ist jedenfalls meine Theorie.
    Auf alle Fälle ist es ein gravierender Fehler, auf den Einbau von Becherhaltern zu verzichten. Vor einigen Jahren habe ich gelesen, daß Volvo genau deshalb alle seine Wagen für den hiesigen Markt umrüsten mußte. Die Ingenieure bei Volvo hatten dummerweise angenommen, daß die Käufer auf zuverlässige Motoren, Seitenaufprallschutz und heizbare Sitze Wert legen, in

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