Streiflichter aus Amerika
thematische Elemente« (was immer das ist) enthält, während bei Mäusejagd auf »schwere Körperverletzung, komische Sinnlichkeit und Sprache« hingewiesen wird. Weder derbe Sprache noch anzügliche Sprache, sondern schlicht und ergreifend »Sprache«. Mein Gott, ist denn das zu fassen? Sprache in einem Film! Ganz zu schweigen von schwerer Körperverletzung. Wenn ich daran denke, daß ich fast mit den Kindern hineingegangen wäre.
Kurz und gut, im Land herrscht eine riesige groteske Angst vor fast allem. Die Buchläden und Bestsellerlisten sind voller Titel wie Auf Abwegen nach Gomorrha von Robert Bork, der so tut als seien die Vereinigten Staaten am Rande eines katastrophalen Zusammenbruchs jeglicher Moral. Unter den buchstäblich Hunderten Übeln, die Bork Kummer bereiten, sind »die wütenden Kämpfer für Feminismus, Homosexualität, Umweltschutz und Tierrechte«. Bitte nein!
Dinge, die in anderen Ländern kaum ein Wimpernzucken hervorrufen, werden hier als gefährlich unmoralisch betrachtet. In Hartford, Connecticut, drohte man neulich einer Frau mit Verhaftung, weil ein Sicherheitsbeamter sie ertappt hatte, wie sie ihr Kind stillte – diskret mit einer Babydecke über der Schulter und der Welt den Rücken zukehrend, in ihrem Auto in einer abgelegenen Ecke eines Restaurantparkplatzes. Sie war aus dem Restaurant zu ihrem Auto gegangen, um das Baby zu stillen, weit weg von der Öffentlichkeit – aber offenbar nicht weit genug. Jemand mit einem Fernglas hätte ja erspähen können, was sie da trieb, und die Konsequenzen eines solchen Tuns für eine ordentliche, stabile Gesellschaft, na, die können Sie sich ja ausmalen.
In Boulder, Colorado, das eine der strengsten Antiraucherverordnungen der USA hat (d. h. wer qualmt, wird erschossen), drohte man derweil einem Schauspieler in einer Laienvorführung mit Arrest, weil er, Sie glauben es nicht, auf der Bühne während der Vorstellung eine Zigarette geraucht hatte, wie es seine Rolle erforderte. Das Rauchen ist heutzutage natürlich ein Kapitalverbrechen. Zündet man sich eine Zigarette an, wird man fast überall in den USA als Paria betrachtet. Erglüht sie in einem öffentlichen Gebäude, stürzt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Phalanx von Wachmännern auf den Missetäter.
Viele Staaten – Vermont und Kalifornien, um nur zwei zu nennen – haben Gesetze, nach denen es praktisch in allen Gebäuden, außer in Privathäusern, verboten ist zu rauchen, und oft sogar im Freien. Ich bin ja völlig dafür, daß man die Leute vom Rauchen abbringt, aber hier betreibt man es so exzessiv, daß es neurotisch, ja geradezu bedrohlich wird. Eine Firma in New Hampshire verfährt neuerdings dergestalt, daß jeder Angestellte, der im Verdacht steht, innerhalb der letzten fünfundvierzig Minuten, bevor er zur Arbeit kommt, eine Zigarette geraucht zu haben, mit Entlassung rechnen muß, selbst wenn er in der Privatheit seines eigenen Heims, in seiner eigenen Zeit ein staatlich genehmigtes Kraut geschmaucht hat.
Erstaunlich, daß selbst junge Menschen freiwillig auf Spaß verzichten. Eine der wunderlichsten Geschichten, die ich jüngst gelesen habe, stand im Boston Globe . Zwei Studentenverbindungen verbieten ab sofort alkoholische Getränke aller Art in ihren Verbindungshäusern.
Ja, schon wenn ein Student auf dem Gelände mit einer einzigen Dose Bier erwischt wird – unerachtet dessen, ob er von Alter und Gesetz her das Recht hat, sie zu besitzen und zu trinken –, wird er hinausgeschmissen. Und wagt man es im Verbindungshaus selbst, eine Veranstaltung zu organisieren, bei der auch nur ein Tropfen Sherry fließt, wird es umgehend geschlossen, ohne daß dagegen Widerspruch eingelegt werden kann.
In meiner Jugend bestanden Sinn und Zweck von Verbindungen einzig und allein darin, die amerikanischen Brauereien am Brummen zu halten. Die Qualität einer Verbindung wurde danach beurteilt, wie viele Bierleichen Samstag nachts auf dem Rasen lagen. Ich möchte nun keineswegs ungezügeltem Alkoholgenuß an Universitäten das Wort reden (natürlich doch, aber wir tun mal so, als ob nicht), die
Meinung allerdings, daß die Jungs und Mädels bei der Abschlußfeier oder nach einem großen Footballsieg oder den Schlußexamina oder wann immer zum Teufel sie wollen, nicht ein paar Bier kippen dürfen, scheint mir absurd puritanisch.
Zu meiner Verblüffung waren bis auf eine Ausnahme alle Studenten, die in dem Globe -Artikel zitiert wurden, für die neue
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