Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
Regelung.
    »Es wird Zeit, daß wir so verfahren«, sagte ein tugendhafter junger Studiosus vom Massachusetts Institute of Technology, der meiner Ansicht nach eine ordentliche Tracht Prügel brauchte.
    Bezeichnen Sie mich als herzlos, aber ich hoffe, der nächste Film, den er anschaut, enthält Szenen mit Klapperschlangen, Glücksspiel, thematischen Elementen und Sprache und verstört ihn nachhaltig. Geschähe ihm das nicht recht?

    Staaten im Staat

    Mein Vater, der wie alle Väter bisweilen für den Wettbewerb »Größter Langweiler der Welt« zu üben schien, hatte, als ich klein war, die Angewohnheit, auf jedem Highway, den wir entlangtuckerten, den Herkunftsstaat der Autos zu identifizieren und uns den jeweiligen Namen nach hinten weiterzusagen.
    Wie Sie sicher wissen, hat hier jeder Bundesstaat seine eigenen Nummernschilder, so daß man auf einen Blick sagen kann, woher die Autos kommen. Was wiederum meinen Vater stets in den Stand versetzte, treffsichere Bemerkungen zu landen wie »He, noch ein Auto aus Wyoming. Das sind schon drei heute morgen.« Oder »Mississippi. Ich frage mich, was der hier oben will?« Dann sah er sich hoffnungsvoll um, ob sich einer von uns frei assoziierend dazu auslassen wollte, aber das wollte nie jemand, und er laberte in dem Stil weiter, oft den ganzen Tag.
    In einem meiner Bücher habe ich mich ob der vielen interessanten und ungewöhnlichen Talente, die mein alter Herr hinter dem Steuer entfaltete – in aller Gutmütigkeit –, lustig gemacht. In jeder Stadt verfuhr er sich todsicher; durch eine Einbahnstraße gondelte er so oft in der falschen Richtung, daß die Leute schließlich aus den Häusern traten und uns von der Tür aus dabei zusahen; einen ganzen Nachmittag kurvte er in Sichtweite um einen Vergnügungspark oder eine andere sehnlichst erwartete Attraktion, ohne daß er den Eingang fand. Eines meiner halbwüchsigen Kinder las das Buch neulich zum erstenmal, kam damit in die Küche, wo meine Frau kochte, und sagte voll staunender Entdeckerfreude: »Aber das ist Dad !«, womit natürlich ich gemeint war.
    Ja ich muß es zugeben. Ich bin wie mein Vater geworden. Jetzt lese ich sogar schon Nummernschilder. Mein besonderes Interesse gilt allerdings den Slogans. Viele Staaten geben einem nämlich auf den Nummernschildern Zusatzinformationen wie »Das Land Lincolns« für Illinois, »Urlaubsland« für Maine, »Sonnenstaat« für Florida und das flott hirnrissige »Shore Thing« für New Jersey, das – klaro doch! »sure thing!« – eine lange Küste hat.
    Ich mache auch gern Witze darüber. Wenn wir zum Beispiel »In Pennsylvania haben Sie einen Freund« sehen, drehe ich mich zu meinen Fahrgästen um und sage tief beleidigt: »Und warum ruft er dann nie an?« Aber ich bin der einzige, der das lustig findet und meint, es helfe, eine lange Fahrt auf dem Highway hinter sich zu bringen.
    Spannend – na ja, vielleicht nicht gerade spannend, aber Fakt ist –, daß sich viele Staaten mit Slogans schmücken, die so gut wie nichts bedeuten. Ich habe nie verstanden, was Ohio sich dabei gedacht hat, als es sich für »Buckeye State – Roßkastanienstaat« entschied; und was New York mit »Empire State« ausdrucken will, ist mir ebenso schleierhaft. Meines Wissens hat der Staat zwar unbestritten viele Schönheiten, ist aber kein Imperium und hat keine überseeischen Besitzungen.
    Indiana nennt sich dagegen »Hoosier State – Gefängniswärterstaat«, und zwar seit einhundertundfünfzig Jahren. Bisher hat noch niemand befriedigend erklären können, wieso und weshalb. (Wahrscheinlich interessiert es eh kein Schwein.) Doch ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, wenn man das in einem Buch erwähnt, schreiben einem zweihundertfünfzig Leute aus Indiana mit zweihundertfünfzig verschiedenen Interpretationen, aber dem einhelligen Verdikt, daß man ein Dummkopf ist, wenn man das nicht begreift.
    Mit all dem will ich unsere wichtige Lektion für den Tag ankündigen, nämlich die, daß die Vereinigten Staaten weniger ein Land sind als vielmehr eine Ansammlung von fünfzig kleinen unabhängigen Staaten. Und Ihr Pech, wenn Sie das vergessen! Nach dem Unabhängigkeitskrieg wurde zwar eine Zentralregierung geschaffen, aber die bisherigen Kolonien trauten sich gegenseitig nicht über den Weg. Damit sie als nunmehrige Bundesstaaten nicht aufmuckten, erhielten sie außergewöhnliche Machtkompetenzen. Selbst heute noch haben sie in vielen, das Privatleben ihrer Bürger betreffenden Bereichen das Sagen

Weitere Kostenlose Bücher