Streiflichter aus Amerika
– wo, wann und in welchem Alter man Alkohol trinken darf; ob man eine Waffe tragen, Feuerwerkskörper besitzen oder legal dem Glücksspiel frönen darf; wie alt man zum Autofahren sein muß; ob man auf dem elektrischen Stuhl, durch eine Giftspritze oder überhaupt nicht exekutiert wird und wie böse man sein muß, um sich so in die Bredouille zu bringen, und dergleichen mehr.
Wenn ich unsere Stadt Hanover verlasse und über den Connecticut River reise, bin ich jählings bis zu fünfhundert vollkommen anderen Gesetzen unterworfen. Ich muß zum Beispiel im Auto meinen Sicherheitsgurt anlegen, eine Genehmigung einholen, wenn ich als Zahnarzt arbeiten will, und alle Hoffnung fahren lassen, daß ich an der Straße Plakatwände aufstellen darf, da Vermont einer von nur zwei Staaten ist, die Straßenwerbung verbieten. Andererseits kann ich straffrei ein Gewehr am Körper tragen, und wenn ich wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet werde, darf ich mich von Rechts wegen weigern, mir eine Blutprobe abnehmen zu lassen.
Da ich mich aber ohnehin immer anschnalle, kein Gewehr besitze und nicht den leisesten Wunsch verspüre (auch nicht für sehr gutes Geld), anderen Leuten mit den Fingern im Mund herumzufummeln, empfinde ich diese Gesetze nicht als Einschränkung. Woanders jedoch können sich die Unterschiede dramatisch, sogar gefährlich bemerkbar machen.
Die Bundesstaaten entscheiden, was in ihren Schulen unterrichtet oder nicht unterrichtet wird, und in vielen Gegenden, besonders im tiefen Süden, müssen sich die Lehrpläne nach sehr engstirnigen religiösen Überzeugungen richten. In Alabama zum Beispiel ist es verboten, die Evolution als etwas anderes denn als »nicht bewiesenen Glauben« zu lehren. In allen Biologiebüchern muß eine Gegendarstellung folgenden Inhalts stehen: »In diesem Schulbuch wird die Evolution behandelt, eine kontroverse Theorie, die manche Wissenschaftler als wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung der Arten präsentieren.« Die Lehrer sind gesetzlich gezwungen, die Auffassung, daß die Erde in sieben Tagen erschaffen worden und alles darauf – Fossilien, Kohlenflöze, Dinosaurierknochen – nicht älter als siebentausendfünfhundert Jahre alt ist, gleichrangig zu behandeln. Ich weiß nicht, was Alabama auf seine Nummernschilder schreibt. Aber »Stolz, rückständig zu sein« scheint mir angemessen.
Ich sollte den Mund nicht zu voll nehmen, denn auch New Hampshire hat ein paar reichlich reaktionäre Gesetze. Es ist der einzige Staat, der sich weigert, den Martin-Luther-King-Tag zu begehen (King hat sich mit Kommunisten eingelassen, müssen Sie wissen), und einer der wenigen, der Homosexuellen nicht wenigstens ein paar grundsätzliche Rechte einräumt. Schlimmer noch, New Hampshire hat einen total abartigen Nummernschildslogan, das seltsam kämpferische »Lebe frei oder stirb!«. Vielleicht nehme ich es zu wörtlich, aber ich fahre wirklich nicht gern durch die Gegend mit dem ausdrücklichen Schwur, mir die Kugel zu geben, wenn es mal nicht so läuft. Mir wäre etwas Vageres und weniger Endgültiges lieber – »Lebe frei oder ärgere dich!« vielleicht oder »Wenn es dir nichts ausmacht, lebe frei. Schönen Dank und auf Wiedersehn!«
Andererseits ist New Hampshire der einzige Staat, in dessen Verfassung das Recht des Volkes verankert ist, sich zu erheben und die Regierung zu stürzen. Ich habe gewiß nicht die Absicht, von diesem Recht Gebrauch zu machen, aber es in der Hinterhand zu haben ist doch ein gewisser Trost, besonders wenn sie anfangen, in unseren Schulbüchern herumzupfuschen.
Der Krieg gegen die Drogen
Neulich hat mir ein alter Freund in Iowa erzählt, wenn man in meinem Heimatstaat im Besitz einer winzigen Menge LSD erwischt wird, muß man mit einer Gefängnisstrafe von nicht unter sieben Jahren rechnen und darf auch nicht auf Bewährung entlassen werden.
Einerlei, daß man vielleicht erst achtzehn Jahre alt ist und sich bisher nie etwas hat zuschulden kommen lassen; egal, daß einem ein solches Urteil das Leben ruiniert und es den Staat fünfundzwanzigtausend Dollar pro Jahr kostet, um einen hinter Gitter zu halten. Auch unerheblich, daß man nicht einmal wußte, daß man LSD hatte – daß ein Freund es einem ins Handschuhfach des Autos gelegt oder vielleicht bei einer Party gesehen hat, daß die Polizei durch die Tür kommt und es einem in die Hand gedrückt hat, bevor man noch Zeit hatte zu reagieren. Mildernde Umstände gelten hier nicht. Wir befinden uns in den
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