Streifzüge durch das Abendland - Europa für Anfänger und Fortgeschrittene
nbli c k erkenn e n mu ß te, daß die Augen der alten D a m e w ieder a uf mi c h ger i chtet w ar e n. Sofort gab ich vor zu schl a f e n. Ich w ußte, w e nn sie nur ein e n L a ut v o n sich geben w ürde, müßte i c h sie mit me i ner Jacke erstick e n. A ber sie sagte ni c hts.
Und so verging der Nachmitt a g.
Seit der Kleinigkeit i m B i stro a m A bend z uvor hatte i c h ni c hts m e hr geg e ss e n. I c h w ar so hungrig, daß ich mir fast a l les e i nverl e ibt hätte, sogar den berühmt e n pürierten Sch i nken me i ner Großmutt e r m i ts a mt ihren g e w ü r felt e n Karotten - das einzige Geri c ht in der Geschi c hte der Kochkunst, d e m Erbrochenes a ls Vorl a ge gedient hat. A m späten Nachmitt a g w urde e i n quietschender E r fris c hungs w a g e n d urch d e n Gang ges c hoben, und eine Welle fieberhafter Aufr e gung erfaßte unser A bteil. Jeder von uns zeigte e i n e i fr i ges I nteresse für das Angebot an Erfrischung e n. Ich besaß vierund z w a nz i g sch w edis c he Kronen und ha t te das für e i n nett e s S ümmchen g e halt e n. Wie sich herausstell e n sollte, reichte dieser Betrag j e doch gerade, um e i n bescheiden e s halbes Brötchen zu e r steh e n, das m i t ein e m kümmerli c hen Salatblatt und acht Fle i schklößch e n, j edes e t w a so groß w ie e i ne M u r m el, bel e gt w ar. E i ne Mahlzeit i n S c h w ed e n ist w i r kli c h ein T rauerspiel.
Ich k a ufte das halbe Brötch e n und w ick e lte e s vorsich t ig aus se i ner Celloph a n- H ülle. Doch a l s ich gerade hin e inbe i ßen w ollte, ruckelte der Zug so erba r mungslos über ein paar Weich e n, daß die Flas c hen i m Erfris c hungs w ag e n klapperten und all m e i ne Fleis c hklößchen v o m Brötchen sprangen, als w är e n es Matros e n, die von Bord eines brennend e n S c h i ffes flieh e n. Entsetzt sah ich z u, w ie sie über den Boden ku l lerten und sich i n a cht ung e nießbare Staubkugeln ve r w andelten.
Ich h ä tte e s kaum für mög l i c h geh a lten, aber die D a me i n Sc h w arz sch a ffte es ta t sä c hli c h, m i c h mit e i n e m no c h verä c htli c her e n Blick z u straf e n, und der Oberstudienrat nahm a us Angst, e i n Kloß könnte einen se i ner gl ä nz e nden S c huhe streif e n, mit e i n e m e leganten Sch w ung s e ine F üße beisei t e. Nur der j unge S c h w ede und der Begleiter des E r fris c hungs w a gens ze i gt e n Mi t g e fühl und deuteten hi l freich mit d e m F i nger a uf d ie Klöße, w ähr e nd i c h e i n e n nach d e m anderen e i ns a mmelte und i m Asch e nbecher deponierte. Dana c h knabberte ich a n m e i n e m Sal a tblatt und d e m trock e n e n Brötchen und w üns c hte mich a n irg e ndein e n anderen Ort dieser Welt. Nur noch z w eie i nhalb S t und e n, ve r su c hte ich mi c h auf z umunte r n und w a r f der alten D a me e i nen Blick z u, der ihr hoff e ntli c h zu verst e hen gab, w el c h e i n Vergnüg e n, w e l ch ein übergroßes, tief e m p funden e s Vergnügen es mir g e w e sen wäre, sie v o n i hr e m P latz zu zerren und aus d e m Fenster zu stoßen.
A l s w ir kurz na c h sechs i n Göteborg ank a m e n, goß es w ie aus Kübeln. Der R e g e n tr o mm e lte auf das P flaster und st r ömte in Sturzbäch e n durch die R i nns t eine. Ich zog m ir die Jacke über den Kopf und rannte über den o ffenen P latz vor d e m Bahnhof, w i c h i m letzten M o ment e i ner Straßenbahn aus, umschiffte e i ne riesige P fütze, schlängelte mich z w i sch e n geparkt e n A ut o s h i ndurch, stieß mit e i ner Str a ßenlaterne und z w ei älteren P ass a nt e n z us a mmen ( w e nn i c h e i nmal r e nne, d a nn hält mich nichts m e hr a uf; d ann bilde ich mir e i n, ich führe die Chicago Bears z um Si e g) und stolperte at e m los und pits c hnaß ins ers t beste Hotel.
Ich st a nd in der E m pf a ngsha l le und trocknete me i ne Brille m it d e m Zipf e l m e in e s H e m d e s, w äh r end si c h um mich h e rum e i ne kl e ine P fütze bildete. Kaum hatte i c h mir die Brille w ieder aufg e setzt, w ar mir klar, daß ich in ein vi e l zu vornehm e s Hotel gerat e n w ar. F ür einen M o m e nt spielte i c h mit dem Gedanken, m i c h still und he i mli c h w ieder z u verdrü c k e n, doch dann b e merkte ich, daß der j unge M a nn an der Rezeption w ie e i n Re p til j ede m einer B e w e gung e n verfolgte, als hä t te er m i c h i n Verdacht, m it e i n e m der T eppiche unt er m A r m vers c h w i nden zu w oll
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