Stresstest Deutschland
nach de Mädle schaue.
Und wenn unser Häusle steht,
Dann gibt’s noch lang kei Ruh,
Ja da spare mir, da spare mir
Für e Geißbock und e Kuh.
Das wirtschaftliche Idealbild der schwäbischen Hausfrau prägt somit die kleinbürgerlich-spießige Weltanschauung, die zum Stereotyp der klassischen Wählerschicht der CDU gehört wie das Reihenhaus mit gartenzwergverschandeltem Vorgarten. Es ist auch nur wenig dagegen einzuwenden, dass die Christdemokraten mit solch altbackenen Bildern auf Wählerfang gehen. Problematisch wird es aber dann, wenn nicht nur die Wähler, sondern auch die
politischen Entscheidungsträger an derlei kurzsichtige Metaphorik glauben.
Noch nicht einmal im überschaubaren Schwabenland kann die schwäbische Hausfrau als Leitbild einer auch nur halbwegs modernen Volkswirtschaft herangezogen werden. Früher sparte man, indem man seine güldenen Taler in einen Sparstrumpf steckte und sich dann den Geißbock und die Kuh kaufte, wenn man die Kaufsumme zusammengespart hatte. Früher gab es jedoch auch noch keine nennenswerte Arbeitsteilung, die Wirtschaft war regional geprägt und die Inflation aufgrund der Goldoder Silberdeckung der Münzen zu vernachlässigen. Was früher als »sparen« bezeichnet wurde, bezeichnen die Volkswirte heute als »horten«. Der Mensch ist jedoch kein Hamster, und selbst Merkels Wirtschaftsberater würden den Wählern heute nicht mehr empfehlen, Geld zu horten. Gehortetes Geld wird nämlich dem Wirtschaftskreislauf entzogen und steht damit der Wirtschaft nicht für Investitionen zur Verfügung.
Wenn Geld von Unternehmen investiert werden soll, muss es sich im Wirtschaftskreislauf befinden. Dies ist der Fall, wenn die schwäbische Hausfrau ihr Geld nach heutiger Definition »spart« und es beispielweise auf das gute alte Sparbuch ihrer Sparkasse einzahlt. Dafür bekommt sie von ihrer Bank dann auch Zinsen, die vermeiden, dass die Ersparnisse von der Inflation aufgefressen werden und sie am Ende trotz größter Sparanstrengungen doch nicht für den Geißbock und die Kuh reichen.
Es ist jedoch ausgeschlossen, dass alle Wirtschaftssubjekte sparen und sich niemand gleichzeitig verschuldet. Selbst die Sparkasse im schwäbischen Dorf kann der Hausfrau nur dann Zinsen auf ihrem Sparbuch gutschreiben, wenn sie die Einlagen an andere Kunden verleiht. Wäre Angela Merkel eine Pennälerin, so würde sie ihr Lehrer – wenn er auch nur die Grundzüge der Volkswirtschaft verstünde – wohl nach Schulschluss hundertmal den Satz an die Tafel schreiben lassen: »Man kann gesamtwirtschaftlich nicht sparen!« Wenn alle Teilnehmer einer Volkswirtschaft sparen wollen und niemand Schulden machen will, gibt es auch niemanden, der das ge-sparteGeld haben will. Dann bräuchte man auch keine Banken mehr, es gäbe weder Sparbücher noch Tagesgeldkonten oder Staatsanleihen, und die schwäbische Hausfrauen-Volkswirtschaft wäre gezwungen, ihr Geld nicht zu »sparen«, sondern zu »horten«.
In der echten Wirtschaft, die sich dann doch fundamental von Angela Merkels ökonomischem Klippschulwissen unterscheidet, gibt die schwäbische Hausfrau ihrer Bank Geld. Die Bank reicht dieses Geld dann als Kredit an Privathaushalte, Unternehmen und den Staat weiter. Die Kreditnehmer konsumieren und investieren mit dem geliehenen Geld und schaffen damit die Nachfrage an Gütern und Produkten, die den Wirtschaftskreislauf brummen lässt. Nehmen wir einmal an, dass der Gatte der schwäbischen Hausfrau – so will es schließlich das Klischee – »beim Daimler schafft«. Würde plötzlich kein Kunde mehr einen Mercedes-Benz leasen oder auf Kredit kaufen, würden die Verkaufszahlen einbrechen, und der Gatte der schwäbischen Hausfrau müsste entlassen werden und künftig Hartz IV beziehen – natürlich erst nachdem die schwäbische Neuprekarierfamilie ihre Ersparnisse aufgebraucht hat. Es mag ja aus konservativer Sicht ehrenwert und vorbildlich sein, sich nicht zu verschulden und größere Ausgaben erst dann zu tätigen, wenn man das Geld dafür zusammengespart hat – übertragen auf eine Volkswirtschaft ist dieses Leitbild weder umsetzbar noch sinnvoll.
Fremdwörter für Fortgeschrittene: Binnennachfrage
Wer eine Volkswirtschaft nach betriebswirtschaftlichen Vorgaben steuern will, neigt unweigerlich dazu, seinen Fokus auf die Ausgabenseite zu richten. Für ein Unternehmen sind die Löhne der Arbeitnehmer schlichtweg Kosten, und Kosten müssen nach betriebswirtschaftlicher Logik natürlich minimiert werden.
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