Stresstest Deutschland
vom Ökonomen Milton Friedman beeinflusst wurde.
3. Der Marktfundamentalismus der Österreichischen Schule, der in seiner radikalsten Form auf einen reinen Sozialdarwinismus hinausläuft und vor allem durch die Ökonomen Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises geprägt wurde.
Wenn man heute von Neoliberalismus spricht, so sollte man daher differenzieren, welche Ausrichtung man eigentlich meint. Lobbyisten der beiden letztgenannten Schulen haben verständlicherweise ein Interesse daran, den Begriff Neoliberalismus zu entschärfen, indem sie ihn mit der sozialen Marktwirtschaft in Verbindung bringen. Nicht ohne Grund nennt sich eine der radikaleren neoliberalen Lobbyorganisationen »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«. Mit der »echten« sozialen Marktwirtschaft, die auf Ludwig Erhard zurückgeht, haben die marktliberalen Bestrebungen moderner Denkfabriken jedoch nur sehr wenig gemein.
Das zeigt ein Blick in das Vorwort zu Ludwig Erhards Lebenswerk Wohlstand für Alle : »So wollt ich jeden Zweifel beseitigt wissen, dass ich die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag. Am Ausgangspunkt stand da der Wunsch, über eine breitgeschichtete Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu überwinden. Diese überkommene Hierarchie war auf der einen Seite durch eine dünne Oberschicht, welche sich jeden Konsum leisten konnte, wie andererseits durch eine quantitativ sehr breite Unterschicht mit unzureichender Kaufkraft gekennzeichnet. Die Neugestaltung unserer Wirtschaftsordnung musste also die Voraussetzung dafür schaffen, dass dieser einer fortschrittlichen Entwicklung entgegenstehende Zustand und damit zugleich auch endlich das Ressentiment zwischen ›arm‹ und ›reich‹ überwunden werden konnten. Ich habe keinerlei Anlass, weder die materielle noch die sittliche Grundlage meiner Bemühungen mittlerweile zu verleugnen. Sie bestimmt heute wie damals mein Denken und Handeln.« 3
Ludwig Erhards Formulierung einer Wirtschaftsverfassung, die zu einer »breitgeschichteten Massenkaufkraft« führt und die Einkommens- und Vermögensschere verkleinert, könnte heute wohl eher im Grundsatzprogramm der Linkspartei als in den Schriften der diversen Denkfabriken stehen, die sich auf Erhard berufen. Der klassische deutsche Neoliberalismus, der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft ist, sollte daher auch besser mit seinemkorrekten Begriff Ordoliberalismus bezeichnet werden. Mit der sozialen Marktwirtschaft hat der Marktliberalismus unserer Tage nämlich nicht viel gemein.
Wenn man heute von Neoliberalismus spricht, meint man damit meist eine politische Ideologie, die den Staat auf seine rudimentären Grundfunktionen, beispielsweise die innere und äußere Sicherheit, beschränken und weite Bereiche der Wirtschaft und der Gesellschaft von Marktmechanismen regeln lassen will. Die Grundlagen der »neoliberalen« Politik beziehen sich dabei, strenggenommen, eher auf die neoklassische Wirtschaftstheorie, die als »angebotsorientierte Wirtschaftspolitik« in den 1980ern zum großen Siegeszug antrat.
Grundlage dieser angebotsorientierten Wirtschaftspolitik ist die Vorstellung, dass es der Bevölkerung gutgeht, wenn es den Arbeitgebern gutgeht. Höhere Gewinne führen demnach zu höheren Investitionen, die wiederum zu mehr Arbeitsplätzen, mehr Wirtschaftswachstum und einer verbesserten internationalen Konkurrenzfähigkeit führen – was schlussendlich wieder zu höheren Gewinnen führt. Eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt somit das Ziel, die Rahmenbedingungen für Unternehmen Schritt für Schritt zu verbessern. Die angebotsorientierte Agenda, die im weiteren Verlauf des Buches als Neoliberalismus bezeichnet werden wird, lässt sich auf wenige grundlegende Punkte reduzieren:
Senkung der Staatsquote
Senkung der Staatsschulden
Senkung der Steuern
Senkung der Löhne
Deregulierung der Märkte
Liberalisierung der Märkte
Privatisierung des öffentlichen Sektors
Was mit den Lambsdorff-Papieren 1982 begann, setzte sich in Deutschland im Jahre 1999 fort, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammen mit seinem britischen KollegenTony Blair im sogenannten »Schröder-Blair-Papier« 4 die Europäische Sozialdemokratie ebenfalls auf neoliberalen Kurs brachte. Eine angeblich antiideologische, streng pragmatische Politik mit libertären Zügen
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