Stresstest Deutschland
Griechenland werden auf diese Art und Weise mit den Überschüssen von Staaten wie Deutschland oder den Niederlanden ausgeglichen. Dies hat für die deutsche Exportbranche den riesigen Vorteil, dass der Euro schwächer ist, als es eine Währung nur für den deutschen Wirtschaftsraum sein könnte. Was für deutsche Exporteure ein großer Vorteil ist, stellt sich für italienische Exporteure jedoch als ein Nachteil dar. Für Deutschland bedeutet der Euro eine implizite Abwertung der eigenen Währung, für Italien bedeutet er eine implizite Aufwertung.
Handelt es sich beim Euro um eine politisch gewollte Kunstwährung, bei der echte Auf- und Abwertungen innerhalb der Währungsgemeinschaft verhindert und Wettbewerbsverzerrungen geschaffen werden, ist der chinesische Renminbi gar keine frei konvertierbare Währung. Der Kurs des Renminbi wird vielmehr par ordre du mufti von der chinesischen Zentralbank bestimmt,und es ist politisch gewollt, dass er im Vergleich zu den großen konvertierbaren Währungen chronisch unterbewertet ist. Hätte der Renminbi einen fairen Wechselkurs, würde sich auch China mittel- bis langfristig in ein Gleichgewicht einfügen. Durch die gestiegene Kaufkraft des Renminbi würden chinesische Arbeitnehmer und Unternehmen mehr Importgüter nachfragen. Gleichzeitig müssten die Importeure von chinesischen Gütern die Endkundenpreise in ihrem eigenen Währungsraum anheben, was die Absatzchancen natürlich verringert.
Eine Aufwertung der nationalen Währung lehnt Peking jedoch (noch) ab, man hält sich selbst noch nicht reif genug für diesen Schritt und hat damit wahrscheinlich sogar recht. Das »Chermany-Problem« bleibt, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Druck der ausgleichenden Kräfte so groß wird, dass die Währungshüter die Schleusen öffnen müssen und der Welthandel zum Equilibrium findet.
Lohnsteigerung als Königsweg aus der strukturellen Krise
Der einfachste und effektivste Weg, diese strukturellen Ungleichgewichte zu vermindern, wäre es, die Löhne entsprechend der Leistungsfähigkeit anzugleichen. Diese Forderung hört man auch von Seiten der deutschen Regierung und ihrer Stichwortgeber aus den Arbeitgeberverbänden. Freilich meint die »Gürtel-engerschnallen-Fraktion« dies anders, als man zunächst meinen möchte. Die deutschen Meinungsmacher 20 sind davon überzeugt, dass es nur eine Angleichung nach unten geben kann. Defizitländer, so ihre Theorie, müssten flächendeckend ihre Löhne senken, um mittel- bis langfristig wettbewerbsfähig zu werden. Auch hier beherrscht wieder einmal ein krudes Gemisch aus angebotsorientierter Wirtschaftspolitik, schwäbischer Hausfrau und Klippschullogik die Diskussion. Sicher wäre es betriebswirtschaftlich sinnvoll, sich selbst durch Kostensenkungen wieder konkurrenzfähigzu machen. Gesamtwirtschaftlich ist dieser Weg jedoch eine Sackgasse.
Würde beispielsweise der Rest der Eurozone seine Lohnstückkosten mittelfristig um zwanzig Prozent senken, um mit den Deutschen gleichzuziehen, würde auch die Nachfrage in diesen Ländern signifikant sinken. Dies hätte nicht nur dramatische Folgen für die betroffenen Länder, deren Binnenwirtschaft im Vergleich zur deutschen noch immer sehr vital ist, sondern würde auch auf Deutschland zurückschlagen. Zwei Drittel aller deutschen Exporte gehen in die EU . Vor allem die Exporte in die Länder der Eurozone sind in der jüngeren Vergangenheit aufgrund des deutschen Lohndumpings rasant gestiegen. Zwischen 1990 und 1998 nahmen sie um gut drei Prozent pro Jahr zu, im Zeitraum von 1999 bis 2003 verdoppelte sich das Wachstum auf jährlich 6,5 Prozent, und von 2003 bis 2007 schnellte es sogar auf mehr als neun Prozent hoch. 21 Unseren besten Kunden zu empfehlen, die Löhne zu senken und damit die Nachfrage zu drosseln, käme der Empfehlung eines Wirts an seine Stammgäste gleich, doch lieber dem Alkohol zu entsagen.
Wer die deutsche Sparschweinmentalität kennt, sollte sich auch darüber im klaren sein, wie man hierzulande auf sinkende Wettbewerbsvorteile (nichts anderes wären Lohnsenkungen in den anderen Euroländern) reagieren würde: Wir müssen den Gürtel enger schnallen, würde es in den Talk-Shows und Plenarsälen der Republik tönen. Das wäre dann jedoch in der Tat der Weg in eine Abwärtsspirale, die keine Gewinner kennt.
Für alle Beteiligten wäre es daher auch von Vorteil, wenn die Ungleichgewichte nicht durch eine Angleichung nach unten, sondern durch eine Angleichung nach oben
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