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Stresstest Deutschland

Stresstest Deutschland

Titel: Stresstest Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Berger
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einnehmen wird. Durch das Haushaltsgesetz und die Haushaltsplanung der Fachministerien weiß man auch ungefähr, zu welchem Zeitpunkt man wie viel Geld ausgeben muss. Auch der Staat kann nur dann Geld ausgeben, wenn seine Konten gedeckt sind und das nötige Guthaben aufweisen. Dies ist jedoch nicht immer gegeben – vor allem dann nicht, wenn der Staat mittel- bis langfristig höhere Ausgaben als Einnahmen hat. Um immer ausreichend Geld zur Verfügung zu haben, stellt das Finanzministerium daher einen Finanzplanauf, der besagt, zu welchem Zeitpunkt der Staat sich wie viel Geld leihen muss.
    Die eigentliche Emission (Ausgabe) der Bundesanleihen wird dabei von der öffentlichen Finanzagentur GmbH durchgeführt. Die Anleihen werden bei einer geschlossenen Auktion versteigert. Da die Anzahl der Gebote regelmäßig die Zahl der zu versteigernden Anleihen bei weitem übersteigt, bekommen die Interessenten, die den besten Kurs – und somit den niedrigsten Zins – bieten, den Zuschlag. Nur wenn eine Auktion außergewöhnlich schlecht verläuft, greift zusätzlich der vom Staat festgelegte Mindestkurs. Bei einer solchen Auktion kriegen nur die Bieter Anleihen zugeteilt, deren Gebot über dem Mindestkurs liegt. Der Rest der Anleihen wird bei solchen Auktionen nicht versteigert, was für den Staat ein echtes Problem darstellt, da er die nun entstandene Finanzierungslücke anderweitig schließen muss.
    Bei diesen Versteigerungen kann jedoch nicht jeder Interessent mitbieten. Dieses Privileg ist einer sehr kleinen und sehr erlauchten Gruppe von deutschen und internationalen Großbanken vorbehalten, der sogenannten Bietergruppe. Wenn in den Medien vom »Primärmarkt« gesprochen wird, ist damit diese Versteigerung gemeint. Alle anderen Interessenten müssen die Anleihen an den Börsen dieser Welt auf den sogenannten Sekundärmärkten kaufen, egal ob es sich dabei um Lieschen Müller, einen deutschen Lebensversicherer oder einen Hedge-Fonds handelt, der in einer karibischen Steueroase registriert ist. An diesen Sekundärmärkten werden Staatsanleihen genauso gehandelt wie Aktien oder Terminkontrakte für Schweinebäuche.
    Die Kurse an den Sekundärmärkten stehen zwar in einer Wechselwirkung mit den Versteigerungsergebnissen auf dem Primärmarkt – für die Staatsfinanzen ist jedoch ausschließlich letzterer von Interesse. Bei den Versteigerungen wird der eigentliche Zinssatz für die Staatsanleihen festgelegt, während sich der Handelskurs auf den Sekundärmärkten – wie auch bei Aktien – durch Angebot und Nachfrage regelt. Wenn eine Zeitung meldet, dass beispielsweise Italien seine Anleihen nur zu einem Zinssatzvon 6,47 Prozent »am Markt platzieren« konnte, so ist damit der Primärmarkt gemeint. Wenn eine Zeitung hingegen meldet, dass die Kurse für griechische Anleihen an Märkten mit Renditen von vierzig Prozent gehandelt werden, sind die Sekundärmärkte gemeint. Diese Kurse haben jedoch keinen direkten Einfluss auf den griechischen Staatshaushalt – solange ein Staat keine Anleihen am Primärmarkt platzieren muss, ist es vollkommen unerheblich, zu welchem Kurs seine bereits ausgegebenen Anleihen gehandelt werden. Der Besitzer der Anleihen bekommt am Ende der Laufzeit den vollen Nennwert vom Staat zurückbezahlt. Dabei spielt es keine Rolle, ob er die Anleihe bereits bei der Versteigerung oder zum Ramschwert kurz vor Ablauf der Laufzeit erworben hat.
    Die Erpressung
    Für Banken stellt diese Form der Staatsfinanzierung eine ungeahnte Subventionierung durch den Staat dar. Wir erinnern uns: Eine Europäische Großbank kann sich das notwendige Kapital für den Erwerb einer Staatsanleihe zum günstigen Leitzins bei der Europäischen Zentralbank leihen und muss dafür keine Sicherheiten hinterlegen oder nennenswertes Eigenkapital mitbringen. Obgleich die Bank das Kapital zu einem Zinssatz von derzeit einem Prozent von der Zentralbank geliehen bekommt, kassiert sie für eine durchschnittliche Euro-Anleihe wie beispielsweise französische Staatsanleihen immerhin drei Prozent Zinsen. Mit jedem Euro, den sich die Bank von der Zentralbank leiht, macht sie also ohne jegliche Eigenleistung pro Jahr zwei Cent Gewinn. Bei »angeschlagenen« Anleihen wie beispielsweise den italienischen ist der Gewinn wesentlich größer als bei solide geltenden Anleihen wie den deutschen.
    Stellen Sie sich mal einen Moment vor, Ihr Bankberater käme morgen auf Sie zu und würde Ihnen folgendes Geschäft vorschlagen: Sie nehmen einen Kredit auf,

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