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Stresstest Deutschland

Stresstest Deutschland

Titel: Stresstest Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Berger
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dazu durchgerungen, die Eigenkapitalanforderungen zu verschärfen. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Banken heute die Möglichkeit haben, ihre Rücklagen an das jeweilige Risiko der vergebenen Kredite und gehaltenen Papiere anzupassen. So fallen beispielsweise vermeintlich risikolose Anleihen aus der Rechnung heraus und müssen überhaupt nicht mit Eigenkapital hinterlegt sein.
    Welche Papiere sind nach Ansicht der Marktregulierer risikolos? Sie ahnen es: Staatsanleihen, die von den Ratingagenturen mit einem A-Rating versehen wurden. Eine Großbank kann sich also theoretisch beliebig viel Geld von der EZB leihen, dafür Euro-Staatsanleihen erwerben und diese dann wiederum bei der EZB als Sicherheit für weitere Kredite hinterlegen. Mit Eigenkapital müssen diese Papiere nicht unterfüttert sein, jeder Zinsgewinn stellt ein nahezu anstrengungsloses Einkommen dar, während jeder Verlust die Bank aufgrund der nicht vorhandenen Absicherung ins Mark trifft. Selbstverständlich könnte der Gesetzgeber dieses Risiko entschärfen, indem er dafür sorgt, dass auch Papiere wie Staatsanleihen mit Eigenkapital abgesichert werden müssen. Dies würde jedoch die Nachfrage nach diesen Papieren abschwächen und damit die Zinsen in die Höhe treiben. Daran haben die Staaten verständlicherweise kein Interesse. Solange sie darauf angewiesen sind, dass das Finanzsystem ihnen ihre Staatsanleihen zu guten Konditionen abnimmt, sind ihnen bei der Regulierung des Finanzsystems auch die Hände gebunden.
    Das Geschäft mit den Staatsanleihen
    Die öffentlichen Haushalte Deutschlands haben eine Gesamtverschuldung von rund zwei Billionen Euro, die Schulden des Bundes machen davon mit rund 1 150 Milliarden Euro den größten Teil aus. 5 Der Bund ist dabei überwiegend über Anleihen verschuldet, die mit unterschiedlichen Laufzeiten zwischen zwei und dreißig Jahren ausgegeben werden. Wenn eine Anleihe ausläuft, muss sie in der Regel durch eine neue abgelöst werden. Allein im Jahr 2011 wurden daher Bundesanleihen im Wert von 181 Milliarden Euro neu platziert. 6 Die OECD hat berechnet, dass der Kapitalbedarf ihrer 34 Mitgliedsstaaten im Jahre 2012 stolze acht Billionen Euro betragen wird. 7 Diese Zahlen sind erschreckend, lassen sie doch bereits erahnen, wie abhängig die Staaten von den Finanzmärkten sind.
    Wem schuldet der Staat eigentlich Geld? Erstaunlicherweise gibt es auf diese einfache Frage noch nicht einmal eine zufriedenstellende Antwort. Ältere Leser werden sich sicherlich noch an die süße Schildkröte »Günther Schild« erinnern, die im Namen des Bundesfinanzministeriums in Anzeigen die Solidität von Bundesanleihen und Bundesschatzbriefen bewarb. Die populäre Annahme, der Staat sei vor allem bei seinen eigenen Bürgern verschuldet, lässt sich jedoch heute nicht mehr aufrechterhalten.
    Auch die Annahme, Bundesanleihen befänden sich hauptsächlich im Portfolio der großen Lebensversicherungen und Pensionsfonds, die für breite Schichten der Bevölkerung einen wichtigen Teil der Altersvorsorge bilden, ist nicht mehr haltbar, wenn man die statistischen Erhebungen der Bundesbank betrachtet. 8 Im ersten Quartal 2011 waren die öffentlichen Haushalte gerade einmal mit 268 Milliarden Euro bei inländischen »Nichtbanken«, zu denen auch Versicherungen und Pensionsfonds zählen, verschuldet. Der Anteil der Staatsschulden, der von solchen inländischen Nichtbanken gehalten wird, geht dabei seit Jahren stetig zurück. Wenn nun aber nur rund vierzehn Prozent der gesamten öffentlichen Verschuldung durch inländische Nichtbanken gehalten werden, wer besitzt dann die restlichen 86 Prozent?
    Die Antwort liegt auf der Hand: Die geänderten Eigenkapitalrichtlinien, die dazu geführt haben, dass die Banken Staatsanleihen ohne nennenswerte Rücklagen aus dem wertvollen Eigenkapital auf Pump erwerben und halten dürfen, sind nicht wirkungslos verpufft. Die Staaten sind heute zum größten Teil beim Bankensektor verschuldet, für den das Geschäft mit den Staatsanleihen eine Lizenz zum Gelddrucken darstellt.
    Um diese Problematik in Gänze zu verstehen, lohnt es sich, der Frage nachzugehen, wie Staatsanleihen eigentlich gehandelt werden. Wenn man sich die Finanzplanung des Bundes anschaut, muss man feststellen, dass sie sich gar nicht einmal großartig von der Haushaltsplanung der schwäbischen Hausfrau unterscheidet. Dank relativ zuverlässiger Steuerschätzung weiß das Finanzministerium in etwa, zu welchem Zeitpunkt es wie viel Geld

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