Stresstest Deutschland
Geschäft. Nehmen wir einmal an, die Deutsche Bank macht auf ihre gesamte Bilanzsumme 2,5 Prozent Gewinn und zahlt auf ihre Schulden im Schnitt zwei Prozent Zinsen. Da die Deutsche Bank sich – wie jede Großbank – bei der EZB Geld zum günstigen Leitzins (zur Zeit zu einem Prozent) leihen kann, ist dieser Wert realistisch. Sie macht also auf einen Teil ihrer Bilanzsumme (dem Eigenkapital) 2,5 Prozent Gewinn und auf 44 Teile ihrer Bilanzsumme (dem Fremdkapital) 0,5 Prozent Gewinn. Auf einen Euro Eigenkapital macht die Bank bei dieser Verteilung somit 24,5 Cent Gewinn (2,5 Cent mit dem Eigenkapitel und 22 Cent mit dem Fremdkapital). So kommt ein Herr Ackermann dann auch zu seinen großspurig angekündigten Traumrenditen von zwanzig Prozent und mehr, die sich stets nur auf den Eigenkapitalanteil beziehen. Würde der Gesetzgeber den maximalen Fremdkapitalanteil in einer Bankbilanz (Fachwort: Hebel beziehungsweise Leverage-Ratio) auf zehn senken, kämen auf jeden Euro Eigenkapital »nur« noch zehn Teile Fremdkapital, und die Deutsche Bank würde nach obiger Rechnung nicht 24,5 Prozent Rendite, sondern »nur« noch7,5 Prozent Rendite machen, womit sie im Verhältnis zu anderen Branchen immer noch ordentlich im Geschäft wäre.
Der Hebel mag zwar in guten Zeiten die Renditen der Banken steigern, in schlechten Zeiten wird er jedoch zu einem Bumerang. Wenn die Deutsche Bank nicht 2,5 Prozent Gewinn, sondern 2,5 Prozent Verlust einfährt, erzielt sie für jeden Teil Fremdkapital (bei zwei Prozent Zinsen) 4,5 Prozent Verlust. Bei zehn Teilen Fremdkapital und einem Teil Eigenkapital wären dies bereits 47,5 Prozent. Das Eigenkapital der Bank würde sich durch einen solchen Verlust, der mit 2,5 Prozent gemessen an der Bilanzsumme gar nicht so ungewöhnlich ist, fast halbieren. Beim realen Hebel von einem Teil Eigen- und 44 Teilen Fremdkapital reicht bereits ein Verlust von 0,1 Prozent (gemessen an der Bilanzsumme), um das Eigenkapital komplett aufzuzehren, was gleichbedeutend mit einem Bankrott wäre.
Moderne Banken sind zum Erfolg verdammt, sie sind dermaßen risikofreudig aufgestellt, dass bereits ein kleiner Rückschlag ausreicht, um sie zusammenbrechen zu lassen. Die Wolkenkratzer in New York, im Londoner Finanzdistrikt oder in Frankfurt sind sprichwörtlich Riesen auf tönernen Füßen. Da die westlichen Staaten die Banken für »systemrelevant« erklärt haben, müssen sie nun dafür sorgen, dass diese keine Verluste machen. Jede Regulierung, die Einfluss auf das Geschäftsergebnis hat, verbietet sich somit von selbst. Das ist der blanke Irrsinn, wenn man es näher betrachtet.
Noch beeindruckender als die Höhe der Bestandsgrößen ist dabei die Betrachtung der Stromgrößen. Der Wert aller weltweit in einem Jahr geschaffenen Güter und Dienstleistungen beträgt rund siebzig Billionen US -Dollar. Innerhalb dieser Stromgröße befinden sich die realen Märkte wie beispielsweise der Immobilienmarkt mit seinem Jahresumsatz von 0,4 Billionen US -Dollar, der Energiemarkt mit sieben Billionen US -Dollar und schließlich der Arbeitsmarkt, der mit einem Umsatz von 55 Billionen US -Dollar (die Summe aller Einkommen weltweit) wohl der größte reale Markt ist. Zum Vergleich: Der Aktienmarkt hat ein Jahresvolumenvon 63 Billionen US -Dollar, der Derivatemarkt, an dem Termingeschäfte und Wetten auf künftige Preisentwicklungen gehandelt werden, hat ein Volumen von 708 Billionen US -Dollar, und der Devisenmarkt hat gar ein Volumen von 1 007 Billionen US -Dollar. Dagegen ist der Anleihenmarkt, der in den letzten beiden Jahren zum Menetekel für unsere Volkswirtschaften zu werden droht, mit seinem Jahresvolumen von 24 Billionen US -Dollar vergleichsweise klein.
Diese gewaltigen Zahlen vermitteln einen Eindruck von der Fragilität des Finanzsystems. Um die Banken und Hedge-Fonds vor sich selbst zu retten, ist daher auch eine weitestgehende Neuordnung des Finanzsystems notwendig. An erster Stelle sollte dabei die Schrumpfung der Bilanzsummen stehen. Ein solcher Schritt wäre am einfachsten über signifikant verschärfte Eigenkapitalrichtlinien zu erreichen, die den Anteil von Fremdkapital in den Bankbilanzen scharf zurückfahren. Nur wenn die Banken ein vernünftiges Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital aufweisen, sind sie auch in der Lage, Verluste zu kompensieren, ohne damit gleich das gesamte Finanzsystem zu bedrohen.
Unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise haben sich die großen Industriestaaten auf ihren G-20-Treffen sogar
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