Stresstest Deutschland
zahlungsunfähig werden, wenn ihnen die Finanzmärkte kein frisches Kapital zur Verfügung stellen. Dies wäre der Fall, wenn bei den Auktionen am Primärmarkt zu wenige oder gar keine Gebote platziert würden.
Was theoretisch möglich ist, kann jedoch praktisch noch lange nicht als Argumentationshilfe für die Banken gelten. Auch wenn nach marktliberaler Logik momentan die halbe Eurozone in der Tat den Staatsbankrott anmelden müsste, wissen die Banker nur allzu genau, dass dieses Szenario nicht eintreten wird. Bereits der Lehman-Zusammenbruch hat gezeigt, dass im heutigen Finanzsystem fast alle Akteure untereinander verwoben sind und jeder größere Ausfall ungeahnte Nebenwirkungen auf das gesamte System hat. Die Eurozone kann beispielsweise Italien nicht einfach pleite gehen lassen, ohne damit eine gesamteuropäische Bankenkrise zu verantworten, bei der die Staaten wieder einmal mit Milliarden und Abermilliarden das Finanzsystem vor sich selbst retten müssen.
Die Too-big-to-fail-Logik hat uns eingeholt, heute sind nicht nur einzelne Banken systemrelevant, auch die Staatsschulden sind mittlerweile systemrelevant geworden. Folgt man dieser Logik, ist jedoch auch kein Ausfall der Papiere möglich, und somit tragen die Banken auch kein wirkliches Ausfallrisiko. Selbst die großspurig angekündigte Beteiligung der Banken bei der »Rettung« Griechenlands erweist sich bei näherer Betrachtung als glatte Schönfärberei. Das Angebot des internationalen Bankenverbands unter Führung des Deutschbankers Josef Ackermann ist vielmehr ein Bilanztrick, bei dem die Banken de facto überhaupt keine Verluste hinnehmen müssen. Selbst dieser äußerst bankenfreundliche Vorschlag ist jedoch schon wieder vom Tisch. Die aktuelle Krisenstrategie der Troika ist vielmehr, den dahinsiechenden Patienten Griechenland so lange leiden zu lassen, bis auch die letzte von Banken gehaltene Anleihe in den öffentlichen Besitzübergegangen ist und eine Umschuldung nur noch auf Kosten der öffentlichen Kassen geht und die Bankbilanzen nicht mehr tangiert.
Die Erpressung der Politik durch das Bankensystem hat so zu einer nur noch grotesk zu nennenden Finanzspirale geführt: Der Finanzsektor wird fürstlich mit Steuergeldern alimentiert und begründet diese Alimentierung damit, dass er das Risiko für finanzielle Probleme der Staaten tragen würde, obgleich in der Realität das genaue Gegenteil zu beobachten ist – die Staaten tragen schon heute das volle Risiko für die finanziellen Probleme ihrer Banken. Trotz dieses offensichtlichen Widerspruchs wagt sich kein Politiker an die Herkulesaufgabe, diesen Augiasstall endlich einmal auszumisten.
Hat die Bankenlobby die Politik bereits so fest im Griff? Unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist es, dass das Fundament unseres Bankensystems bereits so marode ist, dass kein Politiker es wagt, Arbeiten an den Stützpfeilern zu unternehmen.
Eurokrise – Europa im Visier der Banken
Nicht die Höhe der Schulden, sondern die Zinskosten sind es, die ein Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit treiben. Anders als die Höhe der Staatsverschuldung wird die Höhe der Zinsen jedoch nicht von der Politik, sondern von den Finanzmärkten bestimmt. Die großen Akteure an den Finanzmärkten gehen dabei wie ein Wolfsrudel vor. Nur in absoluten Notzeiten würde ein Wolfsrudel einen kräftigen Bären attackieren, in normalen Zeiten sucht es sich stattdessen das schwächste Mitglied einer Herde aus und attackiert es in einer fein abgestimmten gemeinsamen Taktik.
Den Spekulanten war es sehr wohl bekannt, dass die Eurozone mit ihrer unabhängigen EZB den einzelnen Mitgliedsländern ohne ein festes politisches Bekenntnis zum Zusammenhalt keinen Schutz bieten kann. Also testete man den politischen Willen, indem man das schwächste Mitglied der Eurozone attackierte. Anstattsich kompromisslos hinter Griechenland zu stellen, spielte damals die dominante Leitkuh der Euroherde ganz offen mit dem Gedanken an einen möglichen Bankrott der Hellenen. Wir schrieben April 2010, in Nordrhein-Westfalen standen wichtige Landtagswahlen vor der Tür, und Angela Merkel wollte ihrem Parteifreund Jürgen Rüttgers durch ihre offene Ablehnung der Solidarität mit Griechenland ein paar Prozentpunkte schenken.
Dieses Manöver ging gleich in mehrfacher Hinsicht grundsätzlich in die Hose, wobei die Wahlschlappe der CDU in Nordrhein-Westfalen sicher der unbedeutendste Kollateralschaden ist. Hätte Merkel im April 2010 klipp und klar gesagt, dass
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