Striptease: Roman (German Edition)
denn nach Watergate schien den Demokraten ein Erdrutschsieg sicher, und dies war der Moment, als Crandall sich ins Spiel brachte. Gelegentlich fragte er sich zwar, ob diese Entscheidung richtig gewesen war, aber noch nie war er so auf die Probe gestellt worden wie in diesem Moment.
»Wissen Sie was?« sagte er zu dem gefesselten Kongreßabgeordneten. »Sogar dieser Wichser Nixon hätte niemals so eine Nummer abgezogen.«
»Vielleicht wäre er ein besserer Präsident gewesen, wenn er es getan hätte.« Dilbeck hob seine silbergrauen Augenbrauen. »Schon jemals daran gedacht?«
Entnervt legte Crandall den Schraubenzieher beiseite.
»Braver Junge«, lobte David Dilbeck.
»Moldy kommt in einer Stunde. Wenn ich Sie umbrächte, bliebe nicht genug Zeit, um die Schweinerei zu beseitigen.«
Dilbeck betrachtete den Plastikrasierapparat von allen Seiten, als wäre er ein besonders seltenes Fundstück. »Wie heißt sie?«
»Erin«, antwortete Crandall.
»Wunderschön. Offenbar irisch. Erin, und wie weiter?«
»Vergessen Sie’s.«
»Nun kommen Sie schon, Erb. Ich werde sie nicht suchen, ich versprech’s Ihnen.«
Crandall ging zur Tür. »Ich brauche einen Drink. Übrigens, Sie sehen lächerlich aus.«
Der Kongreßabgeordnete reagierte nicht darauf. »Erb, nur einen weiteren kleinen Gefallen.«
»Lassen Sie mich mal raten. Sie wollen, daß ich Ihnen den anderen Arm ans Bett fessle.«
Dilbeck lachte gackernd. »Lieber nicht.«
»Was dann?«
Er wedelte mit dem rosafarbenen Rasierer in der Luft. »Rasieren Sie mich, Erb. Rasieren Sie mich am ganzen Körper.«
Crandall starrte ihn vernichtend an, während er den Raum verließ.
David Lane Dilbeck war der einzige Sohn von Chuck »Der Strohhalm« Dilbeck, dem einst wichtigsten Faulbehälterentleerer in den Counties Dade, Broward und Monroe. Zur Zeit des ersten Wirtschaftsbooms in Süd-Florida, bevor es Abwasserkanäle gab, verließ sich fast jede Familie auf einen im Hinterhof eingebuddelten Faulbehälter. Die soliden, gedrungenen Zylinder waren lebenswichtige Komponenten des Durchschnittshaushalts und eine ständige Quelle nur flüsternd geäußerter Furcht. Eine Faulbehälterverstopfung war nämlich der heimliche Alptraum eines jeden Ehemanns, etwa genauso gefürchtet wie ein Hurrikan oder ein Herzanfall. Verstopfungen zu beseitigen war eine abstoßende Angelegenheit, und nur wenige Unternehmer waren bereit, sich darum zu kümmern.
Der Name Dilbeck war weithin bekannt in der Müllindustrie, auch noch lange, nachdem die meisten Faulbehälter in Süd-Florida verrostet waren. Der junge David verbrachte keinen einzigen Tag damit, Abwässer abzupumpen, aber er erkannte schon früh den Wert der Tatsache, einen prominenten Vater zu haben. Im Jahr 1956, im Alter von vierundzwanzig Jahren, gab er kühn seine Kandidatur für den Stadtrat von Hialeah bekannt. Viele Bürger der Stadt waren seit sie denken konnten Kunden Chuck Dilbecks und unterstützten nun gerne seinen ambitionierten Sohn. Eine schnelle Reaktion war nämlich entscheidend, wenn eine Faulbehälterstörung auftrat, daher war es wichtig, sich mit dem Strohhalm gut zu stellen. Hunderte von örtlichen Faulbehälterbesitzern meldeten sich daher freiwillig, um bei Davids erstem politischen Kampf mitzuhelfen, den er schließlich auch gewann.
Sogar nach den in Florida üblichen Maßstäben war Hialeah – und ist es immer noch – ungeheuer korrupt, und die Mitglieder des Stadtrates manipulierten Bauverordnungen gegen Bargeld, Immobilien und andere Vergütungen. David Dilbeck hatte das Glück, während der Jahre des großen Durcheinanders in Hialeah zu wirken, als es immer noch eine Menge Land gab, das aufgeteilt werden sollte. Er verbrachte vier fruchtbare Wahlperioden damit, zuzuhören, zu lernen und erfolgreich eine Anklage zu vermeiden. Er leistete Erstaunliches bei Schmiergeldverhandlungen und wußte dieses Geschick auch nutzbringend einzusetzen, als er als jüngstes Mitglied in den staatlichen Senat in Tallahassee einzog.
Die Atmosphäre in der Hauptstadt Floridas war völlig anders. Das Leben dort pulsierte schneller, Korruption war gesellschaftsfähig und hatte eine alte Tradition, und die Einsätze waren höher. Aber aufgrund gelegentlicher prüfender Blicke unbequemer neuer Reporter war es unklug für die Vertreter der Legislative, allzu offen um private Lobbyisten herumzuscharwenzeln. David Dilbeck arbeitete hart daran, seine rauhen Ecken und Kanten abzuschleifen. Er lernte, sich zu kleiden und zu
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