Striptease: Roman (German Edition)
reden und zu trinken wie ein Landedelmann. Der Senat war dicht besetzt mit selbstgezüchteten Rednecks, und die meisten waren auf dreiste Art unehrlich. Aber die Hackordnung war streng, und Neuankömmlinge, die die Regeln mißachteten, zahlten für diesen Fehler teuer. Dilbeck paßte sich bestens an und lernte schon bald von einigen der gerissensten Gauner Floridas.
In Tallahassee machte er auch die Erfahrung, daß einige Frauen sich zu Politikern hingezogen fühlten und tatsächlich mit ihnen schliefen. Dilbeck erwarb sich dieses Wissen episodenhaft, und mit jeder Eroberung wurde er besessener. Schon immer hatte er angenommen, daß der öffentliche Dienst ihn reich machen würde, aber er hätte sich niemals träumen lassen, daß er damit auch in so manchen Betten landen würde. Acht Jahre lang erging Dilbeck sich in Promiskuität und heiratete dann – nach guter südstaatlicher Tradition – die halb jungfräuliche Tochter eines Phosphattycoons, die nur selten mit ihm schlief; Pamela Randle Dilbeck interessierte sich mehr für neue Mode und gesellschaftliche Anliegen. Von ihrem Mann wurde sie ermutigt, recht häufig zu verreisen.
Mitte der siebziger Jahre geriet Dilbecks Karriere, nachdem er genau zwei Gesetzesvorlagen eingebracht hatte, ins Stokken. Keiner dieser Vorschläge konnte als besonders bedeutend gelten. Ein Gesetz verbot Sportgeschäften, an Sonntagen Maschinengewehrmagazine an Minderjährige zu verkaufen; der Vorschlag wurde trotz heftigen Widerspruchs der National Rifle Association mit knapper Mehrheit angenommen. Dilbecks einzige andere Leistung war ein Beschluß, mit dem der Okaloosa-Zwergsalamander zum offiziellen Staatsamphibium von Florida ernannt wurde. Ein in begrenzter Auflage hergestelltes Nummernschild wurde der motorisierten Öffentlichkeit für fünfunddreißig Dollar plus Mehrwertsteuer angeboten. Das Salamanderemblem wurde von einer lebhaften Kunstlehrerin von der Florida-State-Universität entworfen, die dafür als Honorar vierzigtausend Dollar an Steuergeldern erhielt und die außerdem an Donnerstagnachmittagen mit einem gewissen Senator zu schlafen pflegte.
Dilbecks großer Durchbruch kam mit dem Hinscheiden des zweiundachtzigjährigen Wade L. Sheets aus Süd-Miami. Der ehrwürdige alte Demokrat war seit gut drei Wahlperioden todkrank und daher auf dem Capitol Hill nur selten anzutreffen gewesen. Diejenigen, die Sheets nahestanden, berichteten traurig, daß seine zahlreichen Gesundheitsprobleme durch eine rasch voranschreitende Senilität noch verstärkt wurden. Kurz vor seinem Ende weigerte er sich, lange Hosen zu tragen, und verlangte, mit »Captain Lindbergh« angesprochen zu werden. Als Sheets schließlich starb, hielt sich eine Schar örtlicher Politiker bereit, um sich für seinen Sitz im Repräsentantenhaus zu bewerben. Unter ihnen befand sich auch David Lane Dilbeck.
Bei Sheets Beerdigung hielt Dilbeck eine Rede, die ungewöhnlich taktvoll war und die umfangreiche Trauergemeinde zu verhaltenem Lachen und Tränen rührte. Die gefühlvolle Ansprache war um so bemerkenswerter, wenn man bedachte, daß Dilbeck Wade Sheets nur zweimal in seinem Leben getroffen hatte. Bei beiden Gelegenheiten war der kranke Congressman offenbar nicht bei Bewußtsein gewesen. Dilbecks erstaunliche Eloge (geschrieben von einem jungen Angehörigen seines Stabes namens Crandall) enthielt vieles aus alten John-F.-Kennedy-Reden, die wiederum vieles aus allen anderen Reden enthielten. Niemand in der andächtig stillen Kirche bemerkte das Plagiat. Die anderen Kandidaten für den Sitz des toten Sheets hielten ebenfalls Totenreden, doch keine blieb so gut im Gedächtnis aller haften. Als alle Fernsehsender in den Nachrichten einen Videoclip von David Dilbeck auf der Kanzel brachten, wußten die anderen, daß sie gescheitert waren.
Dilbeck freute sich, endlich nach Washington zu kommen. Je weiter man sich von seinen Wählern entfernte, desto schwerer fiel es ihnen, einen im Auge zu behalten. Und wieder paßte Dilbeck sich den örtlichen Sitten an. Direkte Bestechung mit Geld, das von Hand zu Hand wanderte, war auf dem Capitol Hill selten. Die verschiedenen Interessengruppen arbeiteten weitaus unauffälliger und raffinierter. Ein gefügiger Kongreßabgeordneter erhielt als Gegenleistung für eine entscheidende Stimmabgabe schon mal Karten für vier Spitzenplätze während eines Spiels der Redskins. Derartige Arrangements waren unmöglich nachzuweisen, geschweige denn zu bestrafen. Ein weiterer direkter Weg
Weitere Kostenlose Bücher