Striptease: Roman (German Edition)
dauerte eine ganze Stunde, um die Princess Pia dorthin zu bringen. Das Meer war unruhig, und nordöstliche Winde wehten mit zwanzig Knoten. Die Schlepperkapitäne behielten vorsichtigerweise nur ein mäßiges Tempo bei.
Um neun Uhr morgens wurde die Princess Pia an Ort und Stelle verankert, mit dem Bug im Wind. Die Polizeiboote zogen einen weiten Kreis um den Kahn und schufen eine Sicherheitszone. Um Punkt zehn Uhr löste ein Funksignal zwei Explosionen in Rumpf und Heck des Schiffs aus. Dicke, schmutzige Qualmwolken stiegen von beiden Enden auf, und das Schiff neigte sich dramatisch nach Steuerbord. Es sank in genau neun Minuten. Die Menschen auf den Booten und Yachten klatschten Beifall, jubelten und ließen die Signalhörner ertönen.
Niemand ahnte, daß ein 1991er Lincoln Continental an den Stahlstreben des hinteren Frachtraums vertäut war. Und bis zu einem viel späteren Zeitpunkt wußte niemand, was sich in dem Wagen befand.
22. KAPITEL
Das Ringkampfbecken befand sich im hinteren Raum, der eine eigene Bühne und eine hufeisenförmige Bar aufwies. Erin arbeitete auf den Tischen, während Urbana Sprawl mit Teilnehmern einer Junggesellenparty in neunzig Gallonen Mais rangelte. Der gefeierte Junggeselle war ein junger Hypothekenbanker mit zahlreichen bleichen, etwas aus dem Leim gegangenen Freunden. Sie hatten gegen Urbana keine Chance, die ziemlich rauh zupackte und ihren prächtigen Busen vielseitig einsetzte. Als besondere Spezialität klemmte sie ihre Gegner ein, ohne die Arme zu benutzen.
Erin staunte immer wieder aufs neue über den Erfolg der Nacktringkämpfe, die in anspruchsvolleren Stripläden der absolut letzte Schrei waren. Es war nichts Erotisches daran, eine busenfreie Frau in einem Kübel voll kalten Gemüses zu begrapschen, obgleich diese trübe Erkenntnis für die meisten Gäste zu spät kam. Wenn der Gong ertönte, waren nur wenige in der Lage, ohne fremde Hilfe aus dem Bottich herauszuklettern. Die jungen Bankiers schienen vor allem nach ihren Duellen mit Urbana Sprawl ziemlich erschöpft zu sein.
Während sie von Tisch zu Tisch wanderte, achtete Erin kaum auf die spaßigen Gefechte im Ringkampfbottich, sondern dachte über die Politik nach, die plötzlich auf dramatische Art und Weise in ihr Leben eingedrungen war. Erin konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal in einer Wahlkabine gestanden hatte. Wahlkämpfe langweilten sie. Jeder Politiker setzte das gleiche dämliche Grinsen auf und hielt die gleiche dämliche Rede, und Erin fragte sich verblüfft, ob tatsächlich jemand ein Wort davon glaubte. Sie konnte sich daran erinnern, mehrmals Darmkrämpfe bekommen zu haben, als sie versuchte, sich die Debatten zwischen Bush und Dukakis anzusehen.
Agent Cleary, Gott segne sein FBI-Herz, hatte sie ständig wegen ihres Zynismus kritisiert. Am Wahltag hatte er dem Büropersonal einen Vortrag gehalten und erklärt, daß jede Demokratie sinnlos sei ohne »eine informierte und verantwortungsbewußte Wählerschaft«. Er sagte, daß die Menschen immer genau die Regierung bekommen, die sie verdienen, und daß diejenigen, die nicht zur Wahl gehen, keinen Grund hätten sich zu beklagen. Er hatte recht, dachte Erin. Das geschieht mir nur, weil ich nicht aufgepaßt habe. Diebe wie David Lane Dilbeck würden ohne die unendliche Trägheit der Massen noch nicht einmal zum städtischen Hundefänger gewählt.
Und zur Strafe habe ich ein Rendezvous mit diesem Arschloch, dachte Erin.
Al García hatte ihr die Situation auf seine enervierend lakonische Art erklärt. Erin, die nur selten über das Ausmaß menschlicher Gemeinheit schockiert war, reagierte völlig fassungslos auf das, was sie da erfuhr: Jerry Killian war wegen Zucker ermordet worden. Der liebestolle kleine Kerl wurde getötet, weil er einem korrupten Kongreßabgeordneten in die Quere gekommen war. Laut García bestand der eigentliche Beitrag des Kongreßabgeordneten zur Verwaltung der Republik darin, unendliche Dollarströme in die Taschen der Zukkerkartelle zu leiten. Der arme Mr. Peepers hatte dieses Arrangement in Gefahr gebracht, daher wurde er totgeschlagen wie eine lästige Fliege.
García hatte gesagt, er wolle die Mörder fangen, bevor sie auch nach Erin suchten. Sie hatte erwidert, das sei eine großartige Idee, und hatte sich bereit erklärt, in jeder erdenklichen Weise zu helfen. Selbstschutz war die hauptsächliche Motivation, ihr Schuldgefühl die andere. Erin konnte nicht vergessen, daß es ihre aufreizenden Tanzkünste
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