Striptease: Roman (German Edition)
gewesen waren, die Jerry Killian so fatal den Kopf verdreht hatten.
Männer waren so hilflos, dachte sie, so leicht zu betören.
Das war es, was Erins Mutter bei Striplokalen nicht verstand: nicht die Frauen wurden benutzt und herabgewürdigt, sondern die Männer. Ihre Mutter dachte, daß diese Etablissements lediglich Fleischmärkte waren, und das waren sie tatsächlich, nur waren die Gäste das Fleisch. Erfahrene Tänzerinnen behielten ständig die Eingangstür im Auge und hielten Ausschau nach dem nächsten Trottel. Wenn man sein Geschäft verstand, konnte man einen Knaben den ganzen Abend in Atem halten und ihm auch den letzten Dollar aus der Tasche ziehen. Man brauchte ihm keinen zu blasen oder mit ihm zu bumsen oder auch nur so tun als ob. Ein mädchenhaftes Lächeln, eine schwesterliche Umarmung, ein paar Minuten persönlichen Gesprächs – Urbana Sprawl erklärte, es sei das am leichtesten verdiente Geld der Welt, wenn man sich überwinden könne, dabei nackt zu sein.
Weil Männer so leicht zu betören waren.
Aber Erin hatte auch ein wenig Angst vor dem Kongreßabgeordneten. Er wäre sicher nicht schüchtern und höflich wie Killian und die anderen Stammgäste. Nein, Dilbeck wäre aufdringlich und grob und wahrscheinlich pervers. Al García hatte sie gewarnt, sich innerlich auf alles gefaßt zu machen.
»Denken Sie, er hat mir den Rasierapparat gestohlen?«
»Fragen Sie ihn«, hatte García erwidert.
Angst war nicht das schlimmste für Erin, viel schlimmer war, daß sie Angela wegschicken mußte. Es war ein vernünftiger Schritt, weil Angie ganz sicher nicht in der Wohnung bleiben konnte, bis die Gefahr vorüber war. Erin fühlte sich deswegen schrecklich. Zwar war Angie in Sicherheit, und Darrell Grant würde sie nicht finden, aber dennoch …
»Hey, Babe.«
Eine Hand umklammerte Erins Bein. Schlagartig kehrte sie in die Wirklichkeit zurück – Urbana wälzte sich in Mais mit Sahne, Aerosmith dröhnten aus den Lautsprechern, ihr eigener BH und ihr Tanga bildeten ein Häufchen Spitze zwischen den Flaschen zu ihren Füßen. Drei junge Bankiers saßen am Tisch und versuchten, cool und unbeeindruckt zu erscheinen. Der betrunkenste von ihnen ließ ständig Erins Strumpfgürtel gegen die Haut schnippen, wo die Geldscheine eingeklemmt waren. Sie bat ihn, damit aufzuhören, aber er tat es weiter. Sie wischte seine Hand von ihrem Bein und drehte sich auf dem Tisch, wobei sie das Ausweichen zu einem Teil des Tanzes machte. Als sie die Drehung vollendet hatte, kehrte die Hand des Bankiers zurück und krabbelte wie eine Gottesanbeterin an ihrem Bein hinauf. Erin ließ den Blick auf der Suche nach Shad durch den Raum schweifen, aber sie konnte ihn nicht entdecken.
»Das reicht jetzt«, erklärte sie dem Bankier.
Als nächstes spürte sie seine Zunge. Er beleckte ihr Bein vom Knöchel bis zum Knie, als sei es Eis am Stiel.
Erin griff in den Haarschopf des Mannes und riß seinen Kopf nach hinten. »Benimm dich«, sagte sie scharf.
Aber das wollte er nicht.
An diesem Morgen war eine kleine Meldung auf Seite sechs des Sun Sentinel in Fort Lauderdale erschienen mit der Überschrift: ANWALTSKAMMER SUCHT VERSCHWUNDENEN ANWALT. In dem vier Absätze langen Artikel wurde berichtet, die Anwaltskammer von Florida untersuche, ob ein Anwalt namens Mordecai das Treuhandkonto seiner Klienten leergeräumt habe und außer Landes geflohen sei. Weiter hieß es, der Mann sei seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen worden und solle angeblich mit einer nicht namentlich genannten Frau auf die Bahamas geflogen sein.
Sergeant Al García schnitt die Meldung aus und legte sie in seinen Aktenkoffer. Dann fuhr er zu einer Straßenecke in Liberty City, wo zwei Crackdealer der Welt einen unendlichen Gefallen erwiesen hatten, indem sie sich im Verlauf einer frühmorgendlichen Schießerei gegenseitig umgebracht hatten. Zeugen waren genauso rar wie Trauernde, aber García holte trotzdem sein Notizbuch heraus und ging an die Arbeit.
Auch Erb Crandall hatte an diesem Morgen die Meldung aus dem Sun Sentinel ausgeschnitten. Gegenwärtig saß er in der Halle der Sunshine Fidelity Savings Bank auf der Galt Ocean Mile und stand kurz davor, ein Verbrechen zu begehen: Er wollte einen falschen Namen auf die Liste der Schließfachinhaber setzen und einen gestohlenen Schlüssel benutzen, um das Bankschließfach eines Fremden zu öffnen. Dort wollte er nach einem Kodak-Farbdia suchen, das Malcolm Moldowsky unbedingt brauchte. Das Dia war das
Weitere Kostenlose Bücher