Stromschnellen: Roman (German Edition)
später gibt es dir den Rest. Deshalb erlaubt dir der Arzt auch nicht mehr als eine Flasche pro Woche.«
»Das ist Teil meines Plans.« Der Alte setzte die Brille wieder auf. Sie verdeckte sein Gesicht zur Hälfte.
»Deine Nichten stecken ihre Nase aber auch in alles! Warum wollen sie, dass die Gemeinde mein hübsches Häuschen abreißt?« Fishbone entdeckte unten am Hosenbein eine winzige Klette und hob den Fuß, um sie wegzuschnippen. »Du solltest die beiden lieber bitten, dein Haus zu putzen, Smoke. Dann wären sie endlich mal nützlich!«
»Wohnen Sie in der Garage?«, fragte Margo.
»Ich wohne in Kalamazoo. Die Garage ist meine Hütte am Fluss , hier schlage ich meine Hirsche aus der Decke und gerbe das Leder. In Smokes Haus gibt es mehr Ratten als in dieser Garage.« Er trug einen breiten goldenen Ring mit eingraviertem Kreuz. »Bevor ich’s vergesse: Hier hast du deine Sargnägel, Smoky.«
Smoke nahm von Fishbone eine Stange Zigaretten entgegen. Dann drehte er sich zu Margo um. »Warum kommst du so spät?«
»Sie hatten nicht gesagt, dass ich zu einer bestimmten Uhrzeit hier sein soll«, verteidigte sie sich.
»Alte Leute stehen früh auf, stimmt’s, Fishbone?« Seine Atmung hörte sich jetzt besser an.
»Woher soll ich das wissen? So alt wie du bin ich noch nicht«, gab Fishbone zurück.
»In meiner Zeit als Drucker musste ich den Laden um sieben Uhr morgens aufmachen, sonst hätten die Leute den Auftrag jemand anderem gegeben. Das frühe Aufstehen hat mich fast umgebracht. Und jetzt, wo ich nichts mehr zu tun habe, halte ich es nicht länger als bis Sonnenaufgang im Bett aus«, klagte Smoke. »Fishbone hat mir damals die Maschinen eingerichtet. Er fand nichts dabei, erst um zehn mit einem halben Donut in der Hand einzutrudeln.«
»Ich ziehe die Abendschicht vor«, meinte Fishbone. »Das ist doch wesentlich kultivierter.«
»Warum haben Sie sich versteckt, Sir?«, wollte Margo wissen.
»Ich wollte nicht, dass mich diese taughen Ladys sehen. Von der Sorte Frauen halte ich mich lieber fern.«
»Du musst die Kleine hier kennenlernen, Fishbone. Sie kann dir den Zigarillo aus dem Mund schießen.« Smoke schnippte eine halb abgebrannte filterlose Zigarette vom Sitz des Rollstuhls auf die Steinplatten. Offenbar hatte er sie während des Besuchs seiner Nichten dort versteckt.
»So, so«, brummte Fishbone. Er nahm den brennenden Zigarillo aus dem Mund, betrachtete den Plastikfilter und steckte ihn sich wieder zwischen die Zähne.
»Ich hab Ihre Felle gesehen, Mr Fishbone. Ich kann auch Tiere häuten.«
»Es gibt heutzutage nicht viele Mädchen, die das können.« Er musterte sie von Kopf bis Fuß.
»Ich schon. Kaninchen, Eichhörnchen, Hirsche. Einmal hab ich meinem Großvater geholfen, einem Bären das Fell abzuziehen. Und ich weiß auch, wie man Wild zubereitet.«
»Meine Frau brät mir schon mal ein Eichhörnchen, aber ich muss es vorher abbalgen, ausnehmen und den Schwanz abschneiden. Dann kann sie sich nämlich einreden, es wäre ein Hühnchen.« Wieder sah er sie an, diesmal argwöhnisch. »Was suchst du hier eigentlich? Smoky hat kein Geld.«
»Er hat gesagt, dass ich heute kommen soll.«
»Ich hab jede Menge Geld«, widersprach Smoke. »Ich bin ein rundum begehrenswerter Mann, falls ihr es noch nicht gewusst habt.«
»Müsstest du nicht in der Schule sein?«, wollte Fishbone wissen.
»Mit der Schule bin ich fertig. Ich bin achtzehn.« Margo wurde in knapp zwei Monaten achtzehn.
»Und ich dachte, heutzutage gehen alle aufs College.« Während sie redeten, entspannte sich Fishbone allmählich. »Smoky, würdest du deinem Hund sagen, dass er aufhören soll, mich anzuknurren? Er will wohl Eindruck auf die junge Dame machen.«
Smoke riss am Halsband, und der Hund legte sich flach auf den Boden.
Fishbone war gut eins achtzig groß, und seine gepflegte Erscheinung stand in krassem Gegensatz zu dem, wie Margo wohl aussah. Sie wünschte, sie hätte sich die Zeit genommen, Gesicht und Hände zu waschen und ihr Haar vor dem Hochstecken zu bürsten.
»Zwei von meinen Jungs haben die Schule geschmissen. Sie sagen, dass sie ihnen nichts bringt, dass die Lehrer Rassisten sind und sie sowieso keine Chance haben.«
»Was siehst du mich so an!«, schnauzte Smoke. Margo zuckte zusammen, weil sie glaubte, sie hätte den alten Mann wieder versehentlich angestarrt, aber er hatte Fishbone gemeint. »Ich widerspreche dir doch gar nicht.«
»Sie haben recht, was die rassistischen Lehrer angeht«, fuhr
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