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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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solche Sorgen um dich«, jammerte die blonde Nichte.
    Tatsächlich sah Margo Tränen über ihre Wangen laufen.
    »Du benimmst dich wie ein Verrückter, Onkel Smoke.«
    »Habt ihr das auch dem Richter geschrieben?«, fragte der Alte forschend.
    »Warum bist du so gemein?«
    »Gemein? Ihr wollt mich ins Old Saints Home stecken, und ich bin gemein?«
    »Es heißt Alsand’s Comfort Care , nicht Old Saints .« Die jüngere Frau klang resigniert. »Warum sagst du immer Old Saints ? Außerdem hat Mom gesagt, dass sie dort gut behandelt worden ist. Aber wenn du zu mir ziehen würdest, würde ich für dich sorgen, und du müsstest nicht ins Heim.«
    »In deine Wohnung? Zu deinem Freund und drei Katzen? Mein Zuhause ist hier.«
    »Auf der Gemeindeverwaltung haben sie gesagt, dass sie dir einen Brief wegen der Garage geschickt haben«, wechselte Shelley das Thema und nickte zu dem Gebäude mit dem durchhängenden Dach. »Sie wollen sie abreißen lassen. Du solltest deinem schwarzen Freund sagen, dass er alles rausholen muss, was er behalten möchte. Die geht davon aus, dass es dort Ratten gibt.«
    Mit großer Mühe unterdrückte der Alte ein Husten. Margo bemerkte, dass die Hirschdecke immer noch neben der Garage aufgespannt war, aber die beiden Frauen konnten es von ihrem Standort aus nicht sehen.
    »Übrigens weiß ich, dass er dir die Zigaretten besorgt«, behauptete Shelley.
    Die Blondine legte nach: »Mit der richtigen Behandlung könntest du länger leben. Oder willst du nicht mehr leben?«
    Der Hund spitzte die Ohren. Am Zaun neben der Garage raschelte es. Margo schwenkte den Lauf ihrer Büchse in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Hinter einem flammendroten Busch erspähte sie einen dunklen Arm, der zu einem kurzärmligen blauen Hemd und, noch weiter oben, zu einem halb von einem weichen Filzhut verdeckten Gesicht führte. Blauer Dunst quoll unter der Hutkrempe hervor. Wie Margo beobachtete der Mann die Szene, nur auffälliger, schließlich rauchte er einen Zigarillo. Als ihre Augen sich trafen, ließ sie rasch die Mündung sinken.
    »Also, ich muss jetzt zur Arbeit. Auf Wiedersehen«, versetzte Shelley und schlurfte von der Terrasse. Die blonde Frau küsste den alten Mann auf den Kopf und folgte ihrer Schwester um die Hausecke. Da erhob sich der Mann mit dem Filzhut und kam auf die Terrasse. Margo tat zögernd das Gleiche.
    »Richte das Gewehr nie auf einen Menschen, junge Dame!«, ermahnte der Mann mit dem Filzhut sie und schüttelte missbilligend den Kopf.
    »Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Sie dort sind. Ich dachte, es wäre ein Eichhörnchen, was da im Gebüsch raschelt.« Der Mann war dünn und trug ein geknöpftes Hemd mit kurzem Stehkragen, knittrige Hosen und blank polierte schwarze Lederschuhe. Er musste Anfang sechzig sein, hatte aber die Figur eines Jüngeren.
    »Smoky, kennst du die Kleine, die sich hier rumtreibt, um jemanden umzubringen?«, fragte er ruhig. »Hast du eine Nichte, von der du mir nichts erzählt hast?«
    »Eine Frau, die dich umbringen will – für dich nichts Neues, was? Deine Frau hat jahrelang versucht, dich …« Der Rest des Satzes ging in einem Hustenanfall unter. Margo und der Mann mit dem Filzhut traten näher und warteten ab, bis der Anfall abgeklungen war. Bemerkenswert, dachte Margo, dass sich gleich zwei Personen hinter dem Haus des alten Mannes versteckt hatten.
    »Es ist schon eine Weile her, seit mich eine Frau umbringen wollte«, erklärte der Mann, zu Margo gewandt. Er klang ganz friedlich. »Seit meine Frau Bluthochdruck hat, muss sie aufpassen, dass sie sich nicht aufregt.«
    »Fishbone, du musst …« Einen Moment hatte es so ausgesehen, als hätte der Alte sich erholt, aber jetzt hustete er wieder. Er zog eine Arzneiflasche aus der Tasche am Rollstuhl und nestelte am Verschluss, bis Fishbone ihm die Flasche aus der Hand nahm, den Deckel nach unten drückte, gleichzeitig drehte und sie ihm zurückgab. Smoke trank aus der Flasche.
    »Dein Hund sieht mich fünf Tage die Woche. Warum knurrt er mich immer noch an?«, wollte Fishbone wissen, nachdem der Alte die Flasche wieder zugeschraubt hatte.
    »Trotzdem musst du dich nach meinem Tod um ihn kümmern. Du hast es mir versprochen.«
    »So schnell stirbst du nicht, du alte Vogelscheuche«, entgegnete Fishbone.
    Smoke nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. »Was glotzt ihr beiden so?«
    »Wir glotzen dich an, du verrückter, hustender Trottel. Glaubst du etwa, das Codein rettet dich? Früher oder

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