Stromschnellen: Roman (German Edition)
Zweitakteröl, bekam den Motor aber nicht gestartet. Smoke versuchte ihr von der Terrasse aus Tipps zu geben, aber schließlich musste sie ihn die Stufen zum Boot hinunterführen, wo er sich an die Kajüte lehnte. Als er nach fünf Minuten keine Luft mehr kriegte, rannte Margo zur Terrasse hoch und holte sein Sauerstoffgerät. Gemeinsam bekamen sie den Außenborder zum Laufen, aber die Aktion hatte Smoke restlos erschöpft. Mit der Strömung flussabwärts zu fahren wäre kein Problem, aber Smoke hatte recht, dass sie nicht einmal mit Vollgas den Fluss wieder hochkommen würde. Sie musste einen stärkeren Außenborder auftreiben.
»Das Boot wird mir fehlen«, gestand Smoke, als er mit angestöpseltem Sauerstoffgerät wieder im Rollstuhl auf der Terrasse saß. »Meine Pride & Joy. Es ist das perfekte Hausboot, und du würdest staunen, wenn du wüsstest, wie schwer es war, das verdammte Ding zusammenzuzimmern. Die Schränke hab ich alle selbst entworfen.«
»Soll ich es doch lieber hierlassen?«
Er schüttelte den Kopf. »Fahr runter zu Harland.«
»Wer ist Harland?«
»Der Farmer, auf dessen Land du kampiert hast. Du bist jetzt amtlich registriert, also achte drauf, dass die Rettungskörper immer gut zu sehen sind, und leg dich nicht mit der DNR an. Damit meine ich auch die Erlaubnis zum Fallenstellen. Keine Ahnung, warum ein Kind wie du unbedingt Bisamratten töten will«, sagte er und brach ab, um Atem zu schöpfen.
»Jetzt gehört es wirklich mir, oder?«
»Du hast die Urkunde. Ich bin offenbar nicht ganz bei Trost, dass ich es dir verkauft habe, aber es gibt sonst niemanden, der meinen Anforderungen entsprechen würde.«
Die Urkunde war im Wohnwagen, sie lag in ihrem Exemplar von Annie Oakley: Leben und Legende . Bevor sie den Fluss hinunterfuhr, wollte sie noch einmal hineingehen und sie sich ansehen.
»Ich wünschte, ich müsste nicht auf fremdem Grund und Boden bleiben.«
Der Farmer hatte sich seit dem Tag, als sie ihn am Steilufer gesehen hatte, nicht mehr blicken lassen, aber sie hatte ihn ab und zu an seinem Haus und im Scheunenhof heimlich beobachtet.
»Ihm wäre es sicher auch lieber, wenn du dich nicht auf seinem Land rumtreiben würdest, aber du kannst nicht endlos durch die Gegend schippern. Dafür eignet sich das Boot nicht.«
»Ich suche mir einen Ort, der niemandem gehört.«
»Dafür brauchst du aber verdammt viel Glück.«
»Ich hab drüber nachgedacht, was ich mit meinem Leben anfangen soll, aber …« Margo brach ab und verschränkte ratlos die Arme vor der Brust.
»Ich auch, aber mir ist noch keine Lösung eingefallen«, erwiderte Smoke und streckte die Hand aus. Margo löste die Arme aus der Verschränkung und ergriff mit beiden Händen seine Hand, deren Zittern sofort aufhörte. Sie hätte ihm gern in die Augen gesehen. Er sagte: »Es ist dein gutes Recht, so zu leben, wie du willst. Ich hoffe, du stellst es besser an als ich.«
Als Margo mit stotterndem Motor flussabwärts fuhr, winkte sie seiner zusammengesunkenen silberhaarigen Gestalt zu. Sie zog das verrottete alte Ruder aus dem Wasser und steuerte das Boot mit dem Außenborder dicht am Nordufer entlang. Aufgrund seines Gewichts war es schwer zu manövrieren, und sie musste sich beim Bedienen des Motors weit übers Heck hinauslehnen und die Spiegel benutzen, um nach vorn sehen zu können. Nach einer Weile stellte sie sich quer zur Strömung und hielt auf die Sandbank oberhalb der Stelle zu, wo das Bächlein in den Fluss rieselte. Als die Schraube den Grund berührte, hob sie den Motor aus dem Wasser. Bis sie es von Bord geschafft hatte, um das Boot festzumachen, war es schon ein Stück abgetrieben, und sie musste es Stückchen für Stückchen wieder flussaufwärts bis zu einer Stelle oberhalb von ihrem Lagerplatz ziehen, wo das Wasser gerade so tief war, dass das Boot nicht aufsaß. Sie vertäute es an einem Baum und verankerte es am Ufer zusätzlich mit mehreren halb mit Beton gefüllten Eimern, die sie bei Smoke aus dem Wasser gezogen hatte. Zuerst dachte sie, das sollte reichen, doch das Boot drehte sich in Richtung Flussmitte. An Bord gab es zwei Rollen raues Hanftau sowie zwei fünf Fuß lange Staken. Diese rammte Margo in den Flussgrund und band das Boot daran fest, damit es nicht noch weiter abtrieb.
Beim Ausfüllen des Ummeldeformulars hatte sie mit dem Gedanken gespielt, das Boot The River Rose II zu nennen. Auch mit The Indian hatte sie geliebäugelt, dann aber beschlossen, dass der Indianer diese Ehre nicht
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