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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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etwas für ihr Seelenheil zu tun. Vielleicht fand sie auch, dass es nicht schaden konnte, wenn die Familie sich geschlossen in der Öffentlichkeit sehen ließ. Vielleicht wollte Cal aber auch zeigen, dass er nicht zum Krüppel geworden war.
    Margo stieg die Stufen hoch, fand den Schlüssel am gewohnten Platz unter dem Blumentopf, schloss die Tür auf und legte ihn wieder zurück. In der Küche war es dank des Holzofens warm, allerdings hatte jemand die Klappen geschlossen, damit das Feuer darin bei der Rückkehr der Familie noch brannte. Im Haus roch es nach Zimtbrot und Truthahnsuppe. Also hatte Joanna das Truthahngerippe ausgekocht, wie sie es am Tag nach dem Fest immer tat. Das letzte Mal hatte Margo vor einem Jahr an Thanksgiving in diesem großen hellen Raum gestanden und Joanna beim Abwasch geholfen, bevor sie hinaus zu den anderen Gästen gegangen war. Sie wagte sich ins Wohnzimmer vor, in dem sie jahrelang mit Billy gezankt hatte, ohne sich etwas dabei zu denken – erst seit letztem Jahr kam Billy ihr seltsam vor und machte ihr Angst. Das Haus der Murrays wirkte nie leer, auch jetzt nicht, wo alle weg waren. Es war immer voller Düfte, Wärme und Energie. An diesem Abend spürte Margo, wie sich die Geister der Murrays in den Ecken versteckten, sie hingen von der Zimmerdecke und hockten auf den Wandleuchten. Auch als sie in diesem Haus noch gern gesehen war, hatte sie sich am liebsten in der Küche aufgehalten. Wenn sie zum Fernsehen ins Wohnzimmer gegangen war, hatte sie sich neben Cals Sessel auf den Boden gesetzt, und er hatte ihr manchmal den Kopf getätschelt und gesagt: »Braves Mädchen.« Billy hatte dann immer »Braver Hund« oder »Brave Nympho« geflüstert, doch es hatte ihr nichts ausgemacht.
    Aber nach dem, was jetzt geschehen war, konnte sie nicht hierbleiben. Wo sollte sie schlafen, während sie auf ihre Mutter wartete?
    Sie nahm ein Blatt Papier und einen Stift und schrieb: Liebe Joanna und Cal, danke für Euer großzügiges Angebot, bei Euch zu wohnen. Meine Mutter will, dass ich zu ihr komme, aber sie hat mich gebeten, nicht zu sagen, wo sie ist. Bitte erzählt niemandem davon. Alles Liebe, Margaret. Den Zettel legte sie auf den Küchentisch.
    Dann ging sie in Cals Büro, das sie noch nie betreten hatte. Kindern war der Zutritt verboten, und alle hielten sich an diese Regel. Im Raum roch es nach Cal, Leder, Waffenöl und Rasiercreme mit Zitronenduft, so wie Cal gerochen hatte, als er ihr das Schießen beigebracht hatte. Aber es roch auch ein wenig nach Schweiß und Whiskey.
    Die Türen des Waffenschranks waren zu, aber es war nicht abgesperrt. Vielleicht war Cal so durch den Wind, dass er vergessen hatte, ihn abzuschließen, oder er schloss ihn grundsätzlich nie ab, weil er sich darauf verließ, dass niemand an seine Waffen ging. Sie öffnete die beiden Türen. Im Schrank stand ein Dutzend Büchsen und Flinten Kaliber .12, aber nicht die .20er ihres Vaters, mit den in den Schaft eingebrannten Initialen.
    Mit klopfendem Herzen nahm Margo die Marlin heraus, die Cal ihr bei besonderen Gelegenheiten überlassen hatte, weil sie so ähnlich war wie das Gewehr von Annie Oakley, sagte er. Margo fuhr mit den Händen über das in den Nussbaumkolben geschnitzte Eichhörnchen und den Chromhebel. Cal hatte das Gewehr regelmäßig gereinigt und geölt. Ein Stromstoß durchlief sie, als sie den goldfarbenen Abzug berührte. Als sie zuletzt mit der Marlin geschossen hatte, hatte sie einen Lederriemen gehabt, aber jemand hatte ihn abgemacht, die Ösen waren leer. Sie legte die Büchse an und zielte durchs Fenster. Dabei presste sie die Wange an den Schaft und nahm ein Stück orangefarbenes Plastikband ins Visier, das an einen Zaunpfosten getackert war. Wenn sie diesen Ort mit all den vertrauten Dingen verließ, musste sie dieses Gewehr mitnehmen. Sie schob eine Schachtel .22er-Patronen in die Tasche und nahm die Marlin in die linke Hand. Als sie zurück in die Küche ging, spürte sie, dass die Geister der Murrays sie beobachteten. Sie schnappte sich das Zimtbrot von der Küchentheke und verließ das Haus auf demselben Weg, auf dem sie hereingekommen war. Der schwarze Labrador, der draußen an der Kette lag, bellte freudig, und obwohl Margo klar war, dass sie schnellstens verschwinden musste, kniete sie sich neben ihn und hielt dabei das Brot außerhalb seiner Reichweite. »Oh, Moe, ich habe dich schrecklich vermisst. Ich hätte dich heimlich besuchen sollen.«
    Sie riss sich vom Hund los. Er bellte hinter

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