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Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Jo Campbell
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vom Fluss aufsteigen und beobachtete, wie Michaels Jeep die Auffahrt hinunterfuhr. Hätte sie doch bloß gesagt, dass sie zum Abendessen kam! Sollte er sie noch einmal fragen, würde sie seine Einladung sofort annehmen und ihm anbieten, etwas mitzubringen – Fischfilets vielleicht. Sie sah, wie Michaels Jeep in die Straße einbog, die flussaufwärts nach Heart of Pines führte, vorbei an Hunderten normaler Häuser wie seinem. Sie sollte ihrer Mutter schreiben und sie fragen, ob sie in Lake Lynne ein normales Leben führte oder in ihrer Stadt eine Abnormität war. Ein Reiher schwebte vom Himmel herab und landete ein Stück stromabwärts außer Sichtweite. In Ufernähe schwammen zwei Stockenten, und an ihrem leicht rostbraunen Brustgefieder erkannte Margo, dass es sich um einjährige Erpel handelte. Ob sie die einzigen Überlebenden von dem Dutzend Küken waren, das ihre Mama damals im Frühjahr ausgebrütet hatte? Margo quakte, sie antworteten mit leisem Schnattern und schwammen weiter.
    Während Michaels Abwesenheit fuhr abends ein silberner Wagen seine Auffahrt hinauf. Obwohl Margo das Auto nicht kannte, war ihr klar, dass Danielle am Steuer sitzen musste, die Frau, die Michael verlassen hatte. Das Auto verschwand hinter dem Haus, und wenig später tauchte King auf und sprang hinunter zum Wasser. Margo ging durch den Kopf, dass die Frau womöglich gekommen war, um Michaels Hund zu holen. Sie spulte die Angelschnur auf, hievte den Außenborder aus ihrem Boot, ohne auf die Schraube achtzugeben, stieß sich ab und war nach wenigen Minuten flussabwärts auf der anderen Seite. Der Hund lief zu ihrer Begrüßung aufs Floß, aber statt ins Boot zu klettern, duckte er sich verspielt und warf den Kopf zurück. »Komm schon, King!«, rief Margo. »Komm!« Als der Hund schließlich hineinsprang, kam die Frau aus dem Haus. Sie trug eine weiße Bluse unter einer dünnen weißen Jacke, hatte ein Glas mit einer klaren Flüssigkeit und Eiswürfeln in einer Hand und einen Liegestuhl in der anderen. Sie stellte den Drink ins Gras, klappte den Stuhl auseinander und machte es sich darin bequem.
    »He, was machst du mit Cleo?«, rief sie, als sie Margo und Cleo im Boot sah. Die Frau hatte karamellfarbenes Haar.
    »Sie gehört nicht Ihnen!«, schrie Margo, doch dann dämmerte ihr, dass die Frau vielleicht gar nicht gekommen war, um sich den Hund zu holen. Stattdessen machte sie es sich hier gemütlich. Offensichtlich hatte sie vor, ihr altes Leben fortzuführen. Michael musste geahnt haben, dass sie zurückkommen würde, deshalb hatte er ihre Sachen nicht weggeworfen.
    »Ich ruf die Polizei, du kleiner Freak«, drohte Danielle milde und trank einen großen Schluck aus ihrem Glas. Dann schlug sie die Beine übereinander.
    Margos Haar war frisch gewaschen und zu einem ordentlichen Zopf zusammengebunden. Lag es an ihrer abgetragenen Jeans, dass die Frau sie Freak nannte? An ihrer abgewetzten Carhartt-Jacke? An ihrem dunklen, schweren Boot mit den splittrigen Rudern? An ihrem Gewehr, das gut sichtbar auf der Rückbank lag? Oder war sie schlicht und einfach ein Freak, ein Wolfsmädchen, eine Abnormität ? Würde ihre Mutter sie auch so sehen, wenn sie sich endlich trafen? War das der Grund, warum Margo in Murrayville nie Freunde gefunden hatte?
    »Sie haben den Hund allein gelassen und sind abgehauen«, sagte Margo so leise, dass Danielle es nicht hören konnte. Und Sie haben Michael verlassen, dachte sie, und den Fluss. Was auch immer Margo war – diese Frau war ein Dummkopf gewesen. Das hatte sie offenbar erkannt, und deshalb war sie zurück.
    Als Margo zur Hütte zurückruderte, tauchte Michaels Jeep auf und parkte neben dem silbernen Auto. Die Frau erhob sich und ging ihm auf der Auffahrt entgegen. Es versetzte Margo einen kleinen Stich, die beiden nebeneinander stehen zu sehen. Sie sahen aus, als gehörten sie zusammen.
    »Cleo! Komm zurück!«, rief Michael. Der Hund lief an Margo vorbei zur Rückbank. Das Boot wackelte, als er sprang. Es geschah so plötzlich, dass Margo keine Zeit hatte, sein Gewicht auszugleichen, und ein Wasserschwall über die Bordwand schwappte.
    Michael rief noch: »Margaret Louise! Komm wieder!« Dann vertiefte er sich in ein Gespräch mit Danielle.
    Flussaufwärts tauchte der MerCruiser auf und hielt auf die Hütte zu.
    Margo drehte ihr Boot in der Strömung, bis der Bug stromabwärts zeigte. Mit einem Ruder manövrierte sie es an den Rand des Flusses, wo Paul sie nicht so schnell entdecken würde.
    Langsam

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