Studio 6
Verkäufen fuhren. In diesem Fall sind also definitiv keine Lieferungen gefährdet, weil es gar keine geben wird, jedenfalls nicht nach meinem Wissensstand.«
Seine Pressesprecherin machte sich schweigend einige Notizen.
»Okay«, sagte sie, »habe ich das jetzt richtig verstanden:
›Die Antwort ist Nein. Es sind keine Lieferungen gefährdet, weil keine Verträge bestehen.‹«
Der Minister strich sich mit der Hand über die müde Stirn.
»Nein, nein, Karina«, sagte er, »das habe ich ganz und gar nicht gesagt. Ich habe überhaupt nicht mit Nein auf die Frage geantwortet. Sie kann nicht beantwortet werden. Da keine Lieferungen geplant sind, können sie auch nicht gefährdet sein. Ein Nein auf diese Frage würde ja bedeuten, dass es Lieferungen geben wird.«
Karina atmete leise in den Hörer.
»Vielleicht sollten Sie selbst mit dem Reporter spre chen«, meinte sie.
Meine Güte, er musste diese verdammte Tussi rausschmeißen! Die war ja nicht ganz dicht!
»Nein, Karina«, sagte er. »Es ist jetzt Ihre Aufgabe, das so zu formulieren, dass meine Intention gewahrt wird und das Zitat korrekt ist. Was glauben Sie, wofür Sie vierzigtausend Kronen im Monat bekommen?«
Er drückte den Knopf, noch ehe sie antworten konnte.
Zur Sicherheit schaltete er das Telefon ganz ab und warf es wieder in die Tasche. Die Stille wurde bedrückend.
Langsam fingen die Geräusche des Wagens wieder an im Innenraum zu dröhnen, das Jaulen der Leisten, die Hitze des Asphalts und das Sirren der Klimaanlage. Irritiert riss er die beiden obersten Hemdknöpfe auf und machte das Radio wieder an. Die Wunschmusik auf P3 war nicht zu ertragen, und so drückte er auf gut Glück irgendeinen Kanal und bekam Radio Rix rein. Ein alter Schlager, den er aus seiner Jugend kannte, trällerte aus den Lautsprechern. Er verband irgendeine Erinnerung mit diesem Lied, aber konnte sich nicht erinnern, was es war. Irgendein Mädchen vermutlich. Er widerstand dem Impuls, das Radio wieder auszuschalten. Alles war besser als das Dröhnen der Straße. Es würde eine lange Nacht werden.
Das Redaktionsteam marschierte kurz vor sieben Uhr mit dem üblichen Getöse ein. Ihr Chef, Jansson, hatte sich Spiken gegenüber am Newsdesk niedergelassen. Annika und Berit waren inzwischen unten in der Kantine gewesen, die von allen nur »Zu den Sieben Ratten« genannt wurde, und hatten dort Gulasch gegessen.
Die Verbindung aus schwerem Essen und lachenden Männern verursachte Magenkrämpfe. Sie war nicht weitergekommen. Den Betrunkenen, der ihr den Tipp gegeben hatte, hatte sie nicht ausfindig machen können.
Der Pressesprecher der Polizei war ein Wunder an Freundlichkeit und Geduld, aber er wusste nichts. Sie hatte im Laufe des Nachmittags drei Mal mit ihm gesprochen.
Er wusste nicht, wer die Frau war, wann oder wie sie gestorben war oder wann er jemals etwas darüber wissen würde. Das machte Annika nervös und trug vermutlich zu ihren Magenschmerzen bei.
Sie musste ein Porträt der Frau herzaubern, bis die Aufmacher dran waren, sonst würde es, was sie betraf, schlichtweg keinen Aufmacher geben.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Berit, »wir schaffen das schon noch, du wirst sehen. Morgen ist auch noch ein Tag.
Wenn wir den Namen nicht bekommen, dann erfährt ihn auch sonst niemand.«
Die Fernsehnachrichten um halb acht begannen natürlich mit der Krise im Nahen Osten und dem Gesprächsangebot des amerikanischen Präsidenten. Der Beitrag dauerte eine halbe Ewigkeit und wurde immer wieder durch Fragen an den direkt zugeschalteten Korrespondenten unterbrochen.
Ellenlange Tiraden in Diplomatensprache liefen synchron über Archivbilder von der Intifada.
Dann kam der Brand auf Gotland, genau dieselbe Bewertung der Nachrichtenlage wie schon beim Konkurrenzsender. Die Luftaufnahmen waren beeindruckend, das konnte man nicht anders sagen. Zuerst sprach man mit dem Leiter der Rettungsaktionen, einem Feuerwehrhauptmann aus Visby, woraufhin Bilder einer improvisierten Pressekonferenz folgten, und Annika musste lachen, als sie Anne Snapphane sah, die sich mit ihrem Kassettenrecorder einfach ganz nach vorn drängelte.
Schließlich wurde ein beunruhigter Bauer interviewt, dessen Stimme Annika von der Konkurrenzsendung wieder zu erkennen meinte.
Nach dem Brand waren die übrigen Nachrichten eher mager. Man machte ein großes Ding daraus, dass der Wahlkampf schon begonnen habe, obwohl das in Wirklichkeit doch schon vor ungefähr einem halben Jahr geschehen war. Der
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