Studio 6
auf. In Täby gab es zwei Gymnasien, Tibble und Åva. Sie rief jeweils die Zentrale an und wurde bei beiden weiterverbunden zur Stadtverwaltung. Sie dachte kurz nach und begann dann, an der Zentrale vorbei zu wählen.
Statt der 00 wählte sie 01, dann 02 und 03. Bei 05 hatte sie Erfolg, der Anrufbeantworter des stellvertretenden Rektors Martin Larsson-Berg, Ferien bis zum siebten August. Im Telefonbuch nannte er sich cand. phil. Er wohnte in Viggbyholm und war tatsächlich zu Hause und wach.
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich an einem Samstagabend noch so spät anrufe«, sagte Annika, »mein Anliegen ist recht ernst.«
»Ist etwas mit meiner Frau?«, fragte Martin LarssonBerg besorgt.
»Ihrer Frau?«
»Sie ist dieses Wochenende segeln.«
»Nein, es geht nicht um Ihre Frau, sondern um ein Mädchen, das eine Ihrer Schülerinnen gewesen sein könnte. Es ist heute in Stockholm tot aufgefunden worden«, sagte Annika und kniff die Augen zusammen.
»Ach so«, sagte der Mann erleichtert, »welche Schülerin?«
»Ein Mädchen, das Josefine Liljeberg heißt und in Täby Kyrkby aufgewachsen ist.«
»In welchem Jahrgang war sie?«
»Ich weiß nicht einmal, ob sie auf das TibbleGymnasium gegangen ist, aber es schien mir am wahrscheinlichsten. Erinnern Sie sich nicht an sie? Neunzehn Jahre, hübsch, langes blondes Haar, großer Busen …«
Jetzt war der Rektor im Bilde.
»Ja, natürlich, Josefine Liljeberg«, sagte Martin LarssonBerg. »Doch, sie war im Frühjahr mit im Medienprakti kum, stimmt.«
Annika atmete aus und öffnete die Augen.
»Erinnern Sie sich an sie?«
»Tot, sagen Sie? Wie furchtbar. Wo hat man sie gefunden?«
»Auf dem jüdischen Friedhof im Kronobergspark. Sie wurde ermordet.«
»Nein, wie scheußlich. Weiß man, wer es war?«
»Noch nicht. Könnten Sie etwas über sie sagen, darüber, wer sie war, was Sie empfinden?«
Martin Larsson-Berg seufzte.
»Ja, wissen Sie«, sagte er, »was soll man da sagen? Sie war wie die meisten Mädchen in dem Alter. Albern und eingebildet. Die sind doch alle gleich. Ihre Bilder fließen sozusagen zusammen.«
Annika war erstaunt. Der Direktor dachte nach.
»Sie wollte Journalistin werden, glaube ich. Am liebsten Moderatorin im Fernsehen. Sie war nicht unbedingt die Hellste, wenn ich ehrlich sein soll. Ermordet, sagen Sie?
Wie denn?«
»Sie wurde erdrosselt. Aber sie hat doch ihr Abitur gemacht, oder?«
»Jaja, sie bekam Befriedigend in allen Fächern.«
Annika blätterte in ihren Ausdrucken.
»Ihr Vater ist Pfarrer«, sagte sie. »Hat sie das auf irgendeine Weise beeinflusst?«
»Ist er das? Das wusste ich nicht …«
»Sie hatte noch einen Zwillingsbruder, Carl Niklas. Ging er auch aufs Tibble?«
»Niklas … ja, ich glaube, dass er bis zum Frühjahr den naturwissenschaftlichen Zweig besucht hat. Er war ziemlich begabt. Wollte in den USA weitermachen.«
Annika machte sich Notizen.
»Erinnern Sie sich an noch etwas?«
Jansson kam und stellte sich drängelnd neben sie, sie winkte ihn fort.
»Nein, beim besten Willen nicht«, sagte der Rektor, »wir haben ja so viele Schüler.«
»Hatte sie viele Freundinnen?«
»Ja, das glaube ich schon. Sie war vielleicht nicht irrsinnig beliebt, aber sie hatte doch ein paar Freundinnen, mit denen sie herumzog. Sie wurde nicht ausgeschlossen.«
»Haben Sie möglicherweise eine Liste der Klasse zur Hand?«, fragte sie.
»Von Josefines Klasse?« Er überlegte ein wenig. »Doch, ich habe ein Telefonbuch von der Schule. Soll ich Ihnen das schicken?«
»Haben Sie Fax?«
Das hatte er. Annika gab ihm die Faxnummer der Kriminalredaktion, und er versprach auch gleich das Klassenfoto von Josefine rüberzuschicken.
Sie legte auf und wollte gerade zu Eva-Britt Qvists Platz gehen, als das Idiotentelefon erneut schrillte. Sie zögerte, blieb dann aber doch stehen und nahm den Hörer ab.
»Ich weiß, wer Olof Palme erschossen hat«, lallte eine Stimme.
»Nein, wirklich«, sagte Annika, »wer denn?«
»Was für eine Belohnung bekomme ich?«
»Wir bezahlen höchstens fünftausend Kronen für einen Nachrichtentipp.«
»Nur fünf Riesen? Das ist ja mickrig. Ich will mit einem Redakteur reden.«
Annika hörte ein Klirren und wie der Mann schluckte.
»Ich bin Redakteurin. Wir bezahlen fünftausend, egal, mit wem Sie reden.«
»Das ist zu wenig. Ich will mehr.«
»Rufen Sie die Polizei an. Da kriegen Sie fünfzig Millionen«, sagte Annika und legte auf.
Man stelle sich vor, der Besoffene hätte Recht, überlegte sie
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