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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Dröhnen und Jaulen hatte ihn über neunhundert Kilometer weit verfolgt. Jetzt würde es bald vorbei sein.
    Er saß noch eine Weile da und genoss die Stille, nachdem er am Büro des Autoverleihs geparkt hatte. Ein letztes leises Piepen war noch in seinem linken Ohr zu hören. Er war so müde, dass ihm speiübel war. Doch er hatte keine Wahl. Er stöhnte und quälte sich mit steifen Gliedern aus dem Wagen. Nachdem er sich schnell umgeschaut hatte, pinkelte er hinter das Auto.
    Die Taschen waren schwerer, als er gedacht hatte. Ich werde es nicht schaffen, dachte er. Er ging die Storgatan hinauf, am Gericht vorbei und gelangte in die alten Villenviertel von Östermalm. Sein eigenes Haus schimmerte durch die Birken, das mundgeblasene Fensterglas glitzerte. Die Fahrräder der Kinder lagen vor der Veranda.
    Das Schlafzimmerfenster war gekippt, er lächelte, als er sah, wie sich die Gardinen im Luftzug bewegten.
    »Christer …?«
    Seine Ehefrau schaute schlaftrunken hoch, als er sich vorsichtig ins Schlafzimmer schlich. Schnell ging er zum Bett und setzte sich neben sie, strich ihr übers Haar und küsste sie auf den Mund.
    »Schlaf noch ein wenig, Liebling«, flüsterte er.
    »Wie spät ist es?«
    »Viertel nach vier.«
    »Ging die Fahrt gut?«
    »Ja, sehr gut. Schlaf jetzt.«
    »Wie war die Reise?«
    Er zögerte.
    »Ich habe etwas aserbaidschanischen Cognac mitgebracht«, sagte er. »Den haben wir noch nie getrunken, oder?«
    Sie antwortete nicht, sondern zog ihn zu sich herab und knöpfte seine Hose auf.
    Die Sonne war aufgegangen, hing wie eine überreife Apfelsine direkt über dem Horizont und schien ihr genau ins Gesicht. Sie brannte schon, obwohl es erst halb fünf war. Annika war schwindelig vor Müdigkeit. Die Gjörwellsgatan war wie ausgestorben, und sie ging auf dem Mittelstreifen bis zur Bushaltestelle. Dort sank sie auf die Bank, mit weichen Knien.
    Ehe sie gegangen war, hatte sie einen Entwurf zur ersten Seite auf Janssons Bildschirm gesehen. Die Seite wurde von Josefine mit ihrer Studentenmütze und der Überschrift »SEXMORD AUF DEM FRIEDHOF« dominiert. Sie hatte den Leitartikel zusammen mit Jansson geschrieben.
    Ihre anderen Artikel standen auf den Seiten sechs, sieben, acht, neun und zwölf. Heute Nacht hatte sie mehr Spalten gefüllt als in den ersten sieben Wochen bei der Zeitung zusammen.
    Das ist gut gelaufen, dachte sie. Ich habe es geschafft. Es hat funktioniert. Sie lehnte den Kopf an die Plexiglaswand der Haltestelle und schloss die Augen, atmete tief durch und konzentrierte sich auf die wenigen Verkehrsgeräusche, die von weit her kamen. Sie war dabei einzuschlafen, als sie von einem hysterischen Vogel im Botschaftsviertel wieder geweckt wurde.
    Nachdem einige Zeit vergangen war, wurde ihr klar, dass sie nicht wusste, wann der nächste Bus fuhr. Sie erhob sich steif und schaute auf den Fahrplan. Der erste 56er würde an diesem Sonntagmorgen um 7 Uhr 13 kommen – in zweieinhalb Stunden. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu Fuß auf den Weg zu machen.
    Nach ein paar Minuten war sie in Schwung gekommen.
    Das war ein gutes Gefühl. Die Beine bewegten sich wie von selbst und setzten die Luft um sie herum in Bewegung. Sie folgte der Verlängerung der Västerbro zum Fridhemsplan. Als sie den Drottningholmsvägen erreichte, türmte sich vor ihr das Grün auf. Der Kronobergspark lag bedrohlich dunkel im Gegenlicht. Sie wusste, dass sie hingehen musste. Man hatte die Absperrungen aufgehoben. Nur der Zaun war noch mit Plastikband gekennzeichnet. Sie ging zum Eisentor und ließ die Finger über den Metallbogen des Hängeschlosses gleiten. Die Sonne hatte die Kronen der Linden erreicht und ließ das Laub erglühen.
    Ungefähr um diese Zeit kam sie hierher, dachte Annika.
    Sie sah dieselbe Sonne, dasselbe Muster im Laubwerk. So zerbrechlich ist alles. So schnell kann es gehen.
    Annika ging um den Friedhof herum und dann auf der Ostseite hinauf, wobei sie die Hand an den Kringeln und Bögen des Zaunes entlanglaufen ließ. Sie erkannte die Büsche wieder und den umgeworfenen Grabstein, ansonsten gab es nichts, was noch auf das Totenbett von Josefine hinwies.
    Sie hielt sich mit beiden Händen am Zaun fest und starrte ins Grün. Langsam sank sie auf die Erde. Ihre Beine gaben nach, und sie setzte sich sanft ins Gras. Ohne dass sie es richtig gemerkt hatte, waren die Tränen gekommen. Sie rannen lautlos die Wangen hinab und tropften auf ihren zerknautschten Rock. Sie lehnte die Stirn an die

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