Studio 6
Uhr. Täby und zurück, entwickeln, das würde zu knapp werden.
»Heute nicht mehr«, meinte Annika. »Die Zeitung geht bald in Druck. Kann ich Sie morgen noch mal anrufen?«
»Ja klar, am besten rufen Sie meinen Pieper an.«
Annika bekam die Nummer. Sie stützte den Kopf in die Hand und dachte nach. Josefine war immer noch undeutlich und fern. Eigentlich hatte sie sich noch kein Bild von der toten Frau machen können.
»Was wollte Josefine denn mit ihrem Leben so anfangen?«, fragte sie.
»Was sie anfangen wollte? Nun, sie wollte wohl, ja, Sie wissen schon, Familie und einen Beruf und so«, antwortete Charlotta.
»Wo arbeitete sie denn?«
»Arbeitete?«
»Ja, in welchem Lokal?«
»Ach so, nein, das weiß ich nicht.«
»Sie war ja in die Innenstadt gezogen, in die Dalagatan.
Haben Sie sie da mal besucht?«
»In der Dalagatan? Nein …«
»Wissen Sie, warum sie umgezogen ist?«
»Wahrscheinlich wollte sie gern in die Stadt …«
»Hatte sie einen Freund?«
Charlotta schwieg. Annika verstand. Dieses Mädchen kannte Josefine alles andere als gut.
»Vielen Dank, dass ich Sie mitten in der Nacht stören durfte«, sagte Annika.
Danach musste sie nur noch einen Anruf erledigen. Sie schlug wieder »Liljeberg« im Telefonbuch nach, aber es gab keine Josefine in der Dalagatan. Sie stand wahrscheinlich noch nicht im Telefonbuch, dachte Annika und rief die Auskunft an.
»Nein, ich habe keine Liljeberg in der Dalagatan«, sagte die Frau bei der Auskunft.
»Es könnte eine ganz neue Nummer sein«, meinte Annika.
»Ich kann alle Anschlüsse sehen, die bis gestern angemeldet wurden.«
»Ist es möglich, dass sie eine Geheimnummer hat?«
»Nein«, sagte die Frau, »dann hätte ich hier einen Hinweis darauf. Kann die Nummer unter einem anderen Namen zu finden sein?«
Annika blätterte planlos in ihren Blättern. Sie kam zu Josefines Mutter. Liljeberg Hed, Siv Barbro.
»Hed«, sagte sie, »probieren Sie, ob es jemanden namens Hed in der Dalagatan 64 gibt.«
»Ja, eine Barbro Hed. Kann das richtig sein?«
»Allerdings«, sagte Annika.
Sie wählte, ohne zu zögern, die Nummer. Nach dem vierten Klingeln ging ein Mann ran.
»Bin ich da bei Josefine?«, fragte Annika.
»Wer ist da?«, fragte der Mann.
»Ich heiße Annika Bengtzon und bin von der Zeitung …«
»Sie sind mir ein Teufel, überall tauchen Sie auf«, sagte der Mann, und jetzt erkannte Annika die Stimme wieder.
»Q!«, sagte sie. »Was machen Sie denn da?«
»Was glauben Sie denn? Und wie, um Himmels willen, haben Sie die Nummer herausbekommen? Nicht einmal wir haben die!«
»Es war ziemlich schwer«, sagte Annika. »Ich habe die Auskunft angerufen. Was gibt es Neues?«
»Ich habe jetzt wirklich keine Zeit für Sie«, knurrte er müde und legte auf.
Annika grinste. Wenigstens hatte sie die richtige Nummer. Und nun konnte sie noch die Information hinzufügen, dass die Polizei die Wohnung von Josefine in der Nacht durchsuchte.
»Jetzt muss ich aber mal wissen, was Sie gemacht haben«, sagte Jansson und setzte sich auf ihren Schreibtisch.
»So wird es werden«, sagte sie und machte schnell ein Skribble auf einem Block. Jansson nickte zufrieden, nahm die Zeichnung und lief rasch zu seinem Platz zurück.
Dann schrieb sie den Artikel über Josefine, die ehrgeizige Pfarrerstochter, die davon träumte, Journalistin zu werden. Sie schrieb einen weiteren Artikel über ihren Tod, ihre Augen und den Schrei, ihre angeknabberte Hand, die Trauer der Freundinnen. Die Silikonbrüste ließ sie weg.
Sie schrieb über die Ermittlungen der Polizei, die vermissten Kleider, ihre letzten Stunden, den aufgeregten Mann am Tipptelefon, die Sorge von Daniella Hermansson und die Aufforderung des Pressesprechers: »Wir müssen diesen Verrückten schnappen.«
»Das ist unglaublich gut«, sagte Jansson. »Gut geschrieben, voller Fakten, auf den Punkt gebracht. Sie können wirklich was!«
Annika musste schnell weggehen. Es fiel ihr nicht leicht, Kritik einzustecken, aber noch schlechter war sie im Umgang mit Lob.
»Komm, wir trinken einen Kakao, ehe du nach Hause gehst«, meinte Berit.
Der Minister fuhr über die Bergnäsbrücke. Ein Auto voller Halbstarker kam ihm mit heruntergeklapptem Verdeck auf halber Strecke entgegen, ein paar in die Jahre gekommene Besoffene hingen über die Autotüren hinaus. Abgesehen davon sah er keinen einzigen Menschen. Als er in die kleinen Straßen hinter dem grünen Plattenbunker der Sozialverwaltung eingebogen war, atmete er auf. Das
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