Studio 6
Freundinnen und so auftauchen.«
»Wie wäre es mit einer Grafik über ihre letzten Stunden?«, schlug Annika vor.
Spikens Miene hellte sich auf.
»Stimmt, das hatten wir noch nicht. Besorgen Sie die Unterlagen dazu und reden Sie mit den Grafikern.«
Annika machte sich Notizen.
»Gibt’s sonst noch was?«, erkundigte sie sich.
»Wir werden einen neuen Ressortchef serviert bekommen. Anders Schyman fängt heute an. Man darf gespannt sein …«
Annika wartete ab. Sie hatte die Gerüchte über den neuen Ressortchef gehört, der bisher Moderator eines Gesellschaftsprogramms im Schwedischen Fernsehen gewesen war. Sie hatte ihn noch nicht kennen gelernt und kannte ihn nur aus dem Fernsehen. Er war groß und blond, und sie fand, dass er ziemlich mürrisch und unsympathisch wirkte.
»Was halten Sie von ihm?«, fragte Annika vorsichtig.
»Ich glaube, dass es ganz schön anstrengend wird«, meinte Spiken. »Wie kann ein Fernsehpromi bloß glauben, dass er einfach daherkommen und uns unsere Arbeit beibringen kann?«
Damit drückte er aus, was alle in der Redaktion zu denken schienen. Annika ließ das Thema fallen.
»Macht Anne Snapphane heute etwas Besonderes, oder kann sie sich auch um den Mord kümmern?«
Spiken stand auf.
»Fräulein Snapphane hat mal wieder einen Gehirntumor und setzt sich einer weiteren Kernspintomographie aus.
He, Carl, herzlichen Glückwunsch!«
Carl Wennergren kam mit dem Pokal im Arm in die Redaktion geschlendert. Spiken ging mit großen Schritten auf ihn zu und schlug ihm auf den Rücken. Annika blieb geschockt auf ihrem Platz sitzen. Großer Gott, Anne, Gehirntumor!
Mit zitternden Händen nahm sie den Hörer und wählte die Nummer. Anne Snapphane ging sofort ran.
»Was ist los mit dir?«, fragte Annika und war den Tränen nah.
»Ich mache mir wahnsinnige Sorgen«, meinte Anne Snapphane.
»Ich bin so kaputt und kraftlos. Wenn ich die Augen zumache, sehe ich Blitze.«
»Spiken hat es mir erzählt. Meine Güte, warum hast du nichts gesagt?«
Anne verlor den Faden.
»Was?«
»Dass du einen Gehirntumor hast!«
Anne schien verwirrt.
»Aber ich habe doch gar keinen Gehirntumor. Ich habe jede Menge Untersuchungen über mich ergehen lassen, und sie haben nichts gefunden.«
Jetzt kapierte Annika überhaupt nichts mehr.
»Aber Spiken hat gesagt … Hast du gar keinen Gehirntumor?«
»Es ist so«, sagte Anne Snapphane, »ich neige dazu, zu glauben, ich hätte alle möglichen Krankheiten. Ich weiß das, aber trotzdem bin ich jedes Jahr ein paar Mal davon überzeugt, dass ich drauf und dran bin zu sterben. Letzten Winter habe ich es tatsächlich geschafft, mir eine Kernspintomographie im Karolinska zu erquatschen. Spiken fand das irre lustig.«
Annika lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
»Du bist also nur ein Hypochonder, du NUSS«, sagte sie.
Anne Snapphane lachte ein wenig bekümmert.
»Ja, so nennt man das wohl. Wie auch immer, ich habe um halb vier einen Termin beim Arzt, man kann ja nie wissen …«
»Was hast du an deinen freien Tagen vor?«
»Wenn ich nicht ins Krankenhaus eingeliefert werde, fahre ich mit den Katzen nach Piteå rauf. Ich nehme den Nachtzug.«
»Okay«, sagte Annika, »dann sehen wir uns, wenn du wieder da bist.«
Sie legten auf, und Annika dachte über ihre eigene freie Zeit nach, die vor ihr lag. Sie arbeitete heute den letzten Tag einer Fünftageschicht und würde anschließend vier Tage freihaben. Sie würde nach Hause nach Hälleforsnäs fahren, Sven treffen und Whiskas einen Besuch abstatten.
Ihr war unbehaglich zu Mute. Bald musste sie sich entscheiden. Entweder setzte sie darauf, hier zu bleiben und zu versuchen, in Stockholm zu arbeiten, oder sie musste ihren Mietvertrag kündigen und wieder nach Hause ziehen.
Sie ließ ihren Blick über die Redaktion schweifen. Da Montag war, wimmelte es nur so von Menschen, was sie nervös und unsicher machte. Von der Hälfte der Leute kannte sie nicht einmal den Namen. Das warme Gefühl der Zugehörigkeit, das sie während des Wochenendes empfunden hatte, war wie weggeblasen, denn es hing irgendwie mit ausgeschalteten Neonröhren, spiegelnden Fensterscheiben vor der Dunkelheit, mit leeren Fluren und dem leisen Summen der Klimaanlage zusammen. Tagsüber sah der Arbeitsplatz völlig anders aus, war voller Licht und Lärm und Menschen mit verkniffenen Mienen.
Sie hatte keine Kontrolle, und es gab keinen Platz für sie.
»Da fährt man einmal weg, schon passiert alles Mögliche«, sagte Carl Wennergren und
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