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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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natürlich, dass es wichtig ist. Aber letztlich ist es unsere Aufgabe zu denken, wenn diese Leute es selbst nicht mehr können.«
    Der Fotograf wurde ungeduldig.
    »Himmel nochmal«, knurrte er. »Ich will eine feste Anstellung, und ich habe nicht vor, hier einen Knüller sausen zu lassen, nur weil Sie plötzlich Ihr verdammtes schlechtes Gewissen kriegen.«
    Die Gruppe von Jugendlichen war zu einer Menschenmenge angewachsen. Sie breitete sich um den Friedhof herum aus wie ein Fluss um eine Insel. Annika zögerte immer noch.
    Im selben Moment sah sie das Auto des Konkurrenzblattes ankommen und auf der Sankt-Göransgatan parken.
    Arne Påhlson stieg aus.
    Das entschied die Sache.
    »Also gut, gehen wir hin«, sagte sie zu Pettersson.
    Sie ging mit dem Fotografen im Schlepptau auf den Friedhof zu und peilte die schmiedeeisernen Bögen des Zaunes an. Als sie ein paar Meter von den Jugendlichen entfernt war, fingen die an zu schreien und auf sie zu zeigen.
    »Da sind sie. Sie sind hier! Aasfresser! Aasfresser!«
    Annika blieb stehen. Pettersson fing an zu fotografieren.
    Plötzlich richtete sich alle Aufmerksamkeit der Gruppe auf die beiden Journalisten.
    »Ist Lisbeth hier?«, erkundigte sich Annika, doch ihre Stimme drang nicht durch.
    »Haut ab, widerlicher Abschaum«, kreischte ein Junge, der nicht älter als dreizehn oder vierzehn sein konnte. Er machte drohend ein paar Schritte auf Annika zu, die instinktiv zurückwich. Das Gesicht des Jungen war vom Weinen und der Müdigkeit aufgequollen, sein ganzer Körper bebte vor Adrenalin und Zorn. Annika starrte ihn fassungslos an.
    »Aber«, versuchte sie, »wir wollen euch doch nicht stören. Wir wollen uns auf keinen Fall aufdrängen …«
    Ein hoch gewachsenes Mädchen drängte sich vor und boxte Annika fest gegen die Schulter.
    »Ihr miesen Hyänen«, brüllte sie und spuckte sie an.
    Annika stolperte rückwärts, ohne begreifen zu können, was da geschah. Sie versuchte, dem rasenden Blick des Mädchens mit Ruhe und Vernunft zu begegnen.
    »Aber, hör mal«, erwiderte sie, »können wir nicht miteinander reden …«
    »Hyäne!«, kreischte das Mädchen. »Abschaum! Abschaum!«
    Die Gruppe junger Leute schloss einen Kreis um Annika, und plötzlich bekam sie Angst. Ein Schlag traf sie im Rücken, und sie ging einen Schritt vor und stieß mit dem großen Mädchen zusammen.
    »Was, zum Teufel, machst du da, du Flittchen?«, schrie das Mädchen. »Willst du was von mir?«
    Annika suchte verzweifelt nach Pettersson. Wo war er bloß?
    »Pettersson!«, rief sie. »Pettersson, verdammt nochmal, wo sind Sie?«
    Seine Stimme kam aus der Nähe der Garageneinfahrt.
    »Bengtzon!«, schrie er in Panik. »Sie versuchen mir die Kameras zu entreißen!«
    Plötzlich hörte man eine Stimme über allen anderen, die drohend und hysterisch die Menge übertönte.
    »Wo sind sie, wo sind sie?«
    Ein Mädchen, das nach Annikas Tasche gegriffen hatte, ließ sie sofort los und wandte ihre Aufmerksamkeit der Stimme zu. Annika sah, wie eine Ausgabe des
Abendblatts
über die Köpfe der Jugendlichen hinweg nach vorne gereicht wurde. Die Gruppe teilte sich, und sie sah, dass mehrere Jugendliche Zeitungen auswickelten. Durch ein Spalier in der Menschenmenge kam Charlotta, Josefines Klassenkameradin, und Annika ging noch ein paar Schritte zurück, als sie sie sah.
    Das Mädchen befand sich im Zustand völliger Auflösung. Ihre Augen waren rot, die Pupillen groß und schwarz, sie hatte Speichel um den Mund, ihre Bewegungen waren ruckartig und unkoordiniert. Das Haar war fettig und zerzaust, sie atmete stoßweise.
    »Du … Aasfresserin!«, kreischte sie und stürzte auf Annika zu. »Du Schwein!«
    Charlotta schlug die Zeitung mit aller Kraft auf Annikas Kopf. Annika nahm instinktiv die Hände nach oben, und nun kamen die Schläge von allen Seiten. Zeitungen sausten auf Arme und Rücken nieder, und die Schreie um sie herum steigerten sich zu einem kollektiven Gebrüll.
    Annika konnte nicht mehr klar denken, drehte sich um, schubste einen Jugendlichen zur Seite und rannte los.
    Weg, großer Gott, nur weg von hier. Sie hörte ihre eigenen Schritte auf der Straße hallen. Das Grün rechts von ihr raste vorbei, der Boden schwankte, die Häuser hüpften in unregelmäßigen Bewegungen. Sie ahnte, dass Pettersson irgendwo hinter ihr sein musste, die Jugendlichen folgten ihr.
    Die Einfahrt zur Garage wirkte, als sie aus dem Sonnenlicht kam, pechschwarz, und sie strauchelte.
    »Pettersson«, schrie sie, »sind Sie

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