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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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gedrängelt hatte, stellte sich auf die Hupe.
    »Schlechte Kindheit gehabt oder was?«, murmelte er in den Rückspiegel.
    Im selben Moment stand der Verkehr wieder. Die Spur nebenan, die er gerade verlassen hatte, fuhr los und hatte bald ein gutes Tempo drauf.
    Er legte die Stirn auf das Lenkrad und stöhnte laut auf.
    Annika schaute vorsichtig ins Mädchenzimmer. Patricia schlief. Sie schloss lautlos die Tür, setzte Kaffee auf, ohne mit dem Geschirr zu klappern, und schlich sich hinaus, um die Morgenzeitung zu holen. Sie warf sie auf den Küchentisch, und zufällig wurde sie genau auf der Seite mit der Rubrik »Gestern im Radio« aufgeschlagen. Annikas Blick wurde magisch von dem Text angezogen, und sie las mit zunehmender Übelkeit die Worte des Rezensenten.
    »Das engagierteste und wichtigste Nachrichtenmagazin im Moment ist ohne Zweifel Studio 6 auf P3. Gestern hatte es das sinkende Niveau der Abendpresse und die rücksichtslose Ausnutzung von Menschen in Trauer zum Thema, ein Thema, das immer aktuell ist und …«
    Annika riss die Zeitung auseinander, knüllte sie zu einem kleinen Ball zusammen und drückte sie in die Mülltüte. Dann ging sie zum Telefon, rief bei der Zeitung an und kündigte ihr Abonnement.
    Sie versuchte eine halbe Avocado zu essen, doch das fette grüne Fruchtfleisch pappte in ihrem Mund, und ihr wurde übel. Anschließend versuchte sie es mit ein paar Erdbeeren, aber der Effekt war derselbe. Kaffee und Orangensaft gingen runter. Den Rest der Avocado und ein paar Erdbeeren warf sie weg, damit Patricia glauben sollte, sie hätte davon gegessen. Dann hinterließ sie die Nachricht, dass sie übers Wochenende nach Hälleforsnäs fahren werde.
    Insgeheim fragte sie sich, ob sie jemals wieder zurückkommen würde. Wenn nicht, sollte Patricia die Wohnung übernehmen, sie brauchte ja eine.
    Als sie die Tür zum Hinterhof öffnete, schlug ihr der Regen wie eine Wand entgegen. Sie blieb eine Weile dort stehen und starrte auf das Vorderhaus, das hinter dem Vorhang aus Feuchtigkeit kaum zu sehen war.
    Das ist perfekt, dachte sie. Es wird niemand draußen sein. Niemand wird mich sehen. Mama muss sich nicht schämen.
    Sie ging in den Regen hinaus und war, noch ehe sie es zum Müllcontainer geschafft hatte, schon völlig durchnässt. Dort versenkte sie die halb volle Mülltüte mit der Zeitung, den Erdbeeren und den Avocadoresten und ging langsam zur U-Bahn.
    Auf dem Hauptbahnhof wurde ihr klar, dass sie fast zwei Stunden warten musste, ehe der nächste Zug nach Flen ging. Sie setzte sich auf eine der Bänke in der großen, hell erleuchteten Halle. Die Laute der Reisenden, der Züge, die Stimmen in den Lautsprechern, das alles verschmolz zu einer Kakophonie von Stadt und Chaos.
    Annika schloss die Augen und ließ die Geräusche ihr Gehirn durchdringen. Am liebsten hätte sie geweint. Nach einer Weile fing sie an zu frieren und ging auf eine Toilette mit einem Händetrockner, an den sie sich stellte, bis alle anderen Besucher der Toilette sauer wurden.
    Die wissen wenigstens nicht, wer ich bin, dachte sie. Sie wissen nicht, dass ich die Gescheiterte bin. Gott sei Dank habe ich nie eine Bildunterschrift mit Foto bekommen.
    Bei dem Zug handelte es sich um einen kleinen Regionalexpress, der schon bald brechend voll war. Sie landete gegenüber einem dicken Mann, der von Schweiß und Regen nass war. Er schlug eine aktuelle Ausgabe des
Abendblatts
auf, und Annika versuchte, nicht hinüberzustarren.
    Berit hatte den Parteisprecher dazu gebracht, seine Verwicklung in die IB-Affäre einzugestehen.
    »Ich gehörte zur Truppe von Eimer«, sagte er in der Einleitung zur ersten Spitze.
    Na ja, dachte sie bei sich. Das geht mich nichts mehr an.
    In Flen musste sie eine weitere Stunde auf den Bus nach Hälleforsnäs warten. Der Regen fiel immer noch wie aus Kübeln, und auf der Straße hinter dem Busbahnhof hatte sich bereits ein kleiner See gebildet. Sie saß in der Wartehalle des Bahnhofs mit dem Gesicht zur Wand. Sie wollte mit niemandem sprechen.
    Es war bereits Nachmittag, als der Bus am Fuß des Tattarbacken hielt. Der Parkplatz des Supermarkts war voller Pfützen und menschenleer, niemand sah sie aussteigen. Sie war müde und zittrig, schleppte sich mit Beinen, die nach dem gestrigen Joggen schmerzten, zu ihrem Haus hinauf. Ihre Wohnung war dunkel und roch nach Staub.
    Ohne Licht zu machen, zog sie alle nassen Kleider aus und legte sich ins Bett. Drei Minuten später war sie eingeschlafen.
    »Es ist nur eine Frage

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