Studio 6
Großmutter. Sie hat einen kleinen Hof, der zu Harpsund gehört. Dort darf sie wohnen, so lange sie will, denn sie war dreißig Jahre lang Hausdame auf Harpsund.«
»Was ist Harpsund?«, fragte Patricia.
Annika goss Kaffee ein.
»Ein Gut zwischen Flen und Hälleforsnäs«, erklärte sie.
»Ein Typ, der Hjalmar Wicander hieß, vermachte es 1952 dem Staat. Die Idee war, dass der Ministerpräsident es als Rekreations- und Repräsentationsort nutzen können sollte.«
»Als was?«
»Als Ferienhaus und Festsaal«, sagte Annika und lächelte. »Harpsund war bei den Ministerpräsidenten schon immer sehr beliebt, und der jetzige ist besonders verliebt in das Gut. Er stammt aus Sörmland und hat noch Ver wandte da. Ich habe ihn vor ein paar Jahren mal an einem Mittsommerabend dort getroffen.«
Patricia machte große Augen.
»Du warst da?«
»Ja, ich durfte oft mit Großmutter mitkommen, als ich klein war.«
Sie aßen schweigend.
»Wirst du heute arbeiten?«, fragte Patricia.
Annika nickte.
»Du hast einen ziemlich anstrengenden Beruf, oder?«, fragte Patricia. »Und gefährlich, wenn die versuchen, dich anzuzünden!«
Annika lächelte etwas schief.
»Dein Laden ist ja auch angezündet worden.«
»Das war aber nicht persönlich gemeint«, erwiderte Patricia.
Annika seufzte.
»Trotzdem wünschte ich, ich könnte dort bleiben.«
»Warum musst du denn gehen?«
»Meine Vertretung läuft nächste Woche aus. Nur ein oder zwei Vertretungen dürfen im Herbst weitermachen.«
»Das kannst doch auch du sein, oder? Du hast doch ganz viel geschrieben.«
Annika schüttelte den Kopf.
»Morgen ist die Konferenz mit den Vertretern der Gewerkschaft, danach wird uns dann gesagt, wer bleiben darf und wer nicht. Was wirst du heute machen?«
Patricias Blick verlor sich im Regen.
»Ich werde an Josefine denken«, sagte sie. »Ich werde mit den Geistern reden und auf der anderen Seite nach ihr suchen, und wenn ich Kontakt zu ihr bekomme, werde ich sie fragen, wer es getan hat.«
Anne Snapphane saß auf ihrem Platz, als Annika in die Redaktion kam.
»Du lebst also noch«, stellte Annika fest.
»So grade noch«, erwiderte die Kollegin. »Das Wochenende war schrecklich. Die Chefs waren total durchgeknallt. Was der Nachrichtenchef am Tag aufgesetzt hatte, hat der für den Spätdienst Zuständige am Abend in den Papierkorb befördert. Ich habe fünf Sachen geschrieben, die verschoben wurden.«
Annika sank auf ihren Stuhl. Der Kleiderdrache hatte ein Schlachtfeld aus leeren Kaffeetassen, Agenturmeldungen und zerknüllten Taschentüchern zurückgelassen.
»Ich habe gezögert, überhaupt herzukommen«, sagte Annika, »jetzt weiß ich, warum.«
Anne Snapphane lachte. Annika schob alles, was sich auf dem Schreibtisch befand, inklusive fünf Notizblöcken, zwei Büchern und drei Porzellantassen, auf denen »Mariana« stand, in den Papierkorb.
»Du kannst mich mal, du vornehme Tante«, brummte sie.
Anne Snapphane musste so sehr lachen, dass sie vom Stuhl fiel. »So lustig war es nun auch wieder nicht«, meinte Annika.
Anne setzte sich wieder auf, wischte sich die Tränen ab und versuchte ihren Lachanfall zu unterdrücken.
»Nein, das war es nicht«, stieß sie hervor und lachte wieder. »Aber es gibt andere Sachen, die richtig lustig sind. Zum Beispiel, dass ich hier wegkomme.«
Annika riss die Augen auf.
»Hast du einen Job bekommen? Wo?«
»Bei einer Produktionsfirma unten in Södra Hammarbyhamnen. Ich werde für ein Frauenprogramm in einem der Kabelkanäle recherchieren. Am zwölften September fange ich an. Das kann richtig furchtbar werden. Ich freue mich darauf.«
»Aber vielleicht kannst du ja hier bleiben?« »Keine Ahnung, ob ich das wirklich will. Momentan habe ich eigentlich die Schnauze voll. Außerdem ist die Sache beim Fernsehen eine feste Anstellung.«
»Herzlichen Glückwunsch«, gratulierte Annika, ging um den Schreibtisch herum und umarmte ihre Freundin.
»Mensch, wie schön für dich!«
»Hört mal, ihr Lesben, hättet ihr Zeit zu arbeiten?«
Spiken saß wieder am Desk.
Anne bekam den Auftrag. Es ging um ein junges Kätzchen, das die Polizei in Norrköping aufgegriffen hatte. Es war zwei Wochen lang um die Polizeiwache herumgestreunt und sollte jetzt eingeschläfert werden.
»Wir brauchen ein Foto von der Katze im Gefängnis«, meinte Anne Snapphane. »Stellt euch mal die Headline vor: ›PUSSI-KÄTZCHEN IN DER TODESZELLE‹.«
Spiken schielte zu Annika hinüber.
»Ich habe nichts für Sie, Sie
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