Stürmisch verliebt auf Mallorca
Welt herumgekommen. Als ich im Winter nach Mallorca kam, war das meine erste große Reise überhaupt! Damals kam ich übrigens auch nicht allein, sondern mit einer Gruppe von Rentnern aus London.“ Sie lachte gezwungen. „An der Bar habe ich dann, ohne es zu wollen, dein Gespräch mit Sancho mit angehört, und als du sagtest, wie wenig Lust du hast, die Gruppe zu begrüßen, wollte ich plötzlich nicht mehr dazugehören …“
Ramiro warf ihr einen erstaunten Blick zu. „Du hast die Unterhaltung mitgehört?“
„Ja.“ Lilian nickte. „Danach setzte mein Denken wohl einfach aus, und ich habe mich als eine andere ausgegeben …“
Ramiro konzentrierte sich auf die Straße. „Wie auch immer Benita herausgefunden hat, wer du wirklich bist – sie ist eine Schlange. Sie gehört zur großen, mächtigen Díaz-Familie, die hier auf der Insel die Vorherrschaft in der Tourismus-Branche beansprucht.“ Er steuerte das Auto auf einen Parkplatz. „Und der Díaz-Clan arbeitet nicht immer mit sauberen Methoden“, ergänzte er grimmig.
„Liegt dir etwas an ihr?“, frage Lilian leise. Sie musste es wissen.
„Ich möchte so wenig wie möglich mit der Familie Díaz zu tun haben“, erwiderte Ramiro und bremste. „Aber ich finde, wir sollten nun besser über dich reden, Lilian. Was für Bären hast du mir noch aufgebunden?“
Lilian überlegte fieberhaft. Sollte sie Ramiro die ganze Geschichte erzählen? Musste er wissen, dass sie als vermeintliche Diebin mehr oder weniger aus ihrer Heimatstadt geflüchtet war? Log sie, wenn sie die Lügen, die andere über sie verbreitet hatten, verschwieg? Nein, eher nicht … Und sicher wäre es auch zu viel verlangt, wenn Ramiro für dieses Kapitel ihres Lebens Verständnis aufbringen sollte. Wichtig war letztlich nur eines: Sie wusste um ihre Unschuld, und sie würde alles tun, um diese furchtbare Geschichte unter Verschluss zu halten. Das war schließlich ihr gutes Recht.
Ramiro musterte Lily aufmerksam. Überlegte sie nicht viel zu lang, wenn sie ihn davon überzeugen wollte, dass sie ihm nicht noch mehr Lügen aufgetischt hatte? Doch dann sah sie ihn mit ihren schönen Augen lange und nachdenklich an.
„Das ist alles, Ramiro. Bitte verzeih mir. Es war dumm von mir, so zu tun, als wäre ich jemand, die schon viel erlebt hat und in eine sichere Zukunft blickt. Es verhält sich leider ganz anders. Aber ich bin dabei, mir ein besseres Leben aufzubauen. Deswegen lerne ich auch seit Langem Fremdsprachen; das zumindest war keine Lüge. Und auch mein Name war nicht so falsch – fast alle meine Freunde nennen mich Lily.“
Ramiro atmete tief durch. Also gut, dachte er bei sich. Ihrem Blick nach zu urteilen, der nun von Tränen verschleiert war, schien sie die Wahrheit zu sagen … Wenn er ehrlich war, fand er sogar ein wenig Gefallen an der Sache. Da träumte sich eine junge, hübsche Frau aus bescheidenen Verhältnissen in ein besseres Leben, kam das erste Mal nach Mallorca, und plötzlich und unversehens wurde ihm in dem Drama die Rolle des Märchenprinzen zuteil. Das war ja fast schon filmreif!
Außerdem: War er denn verrückt, Benita den Gefallen zu tun und auf die leidenschaftlichen Nächte mit Lily zu verzichten? Unter gar keinen Umständen! Vielleicht würde Benita dann begreifen, dass es absolut keinen Sinn hatte, zu versuchen, ihn unter ihre Fuchtel zu bringen. Wie auch immer sie all diese Informationen über Lily herausgefunden hatte – er bestimmte selbst, wo es langging!
Und dann kam ihm noch etwas Wegweisendes in den Sinn: Er erinnerte sich an die Situation, als ihn im Winter bei der Ankunft des Reisebusses im „Paraíso Verde“ diese unerklärliche Vorahnung befallen hatte, dieses Gefühl, dass da auf einmal etwas unendlich Wichtiges in seinem Leben passierte. Damals hatte er sich gefragt, ob er noch ganz bei Sinnen war und was das alles sollte.
Nun endlich wusste er es: Lily hatte in dem Bus gesessen!
8. KAPITEL
Wann hatte er eigentlich das letzte Mal einen entspannten Nachmittag an einer der traumhaften Buchten Mallorcas verbracht? Ramiro, der die Insel wie seine Westentasche kannte, wusste natürlich, wo auch in der Hochsaison Ruhe zu finden war. Während an anderen Stränden die Menschen wie Ölsardinen in der Sonne lagen, verirrte sich an seinen Lieblingsplatz – eine kleine, versteckte Bucht mit feinem weißem Sand und kristallklarem Wasser – kaum ein Tourist. Ein paar Bäume nahe der Felsen spendeten wohltuenden Schatten, und ein leichter Wind
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