Stürmische Begegnung - zauberhafte Eroberung
etwa Gedanken lesen? Bevor sie etwas erwidern konnte, mussten sie sich wieder trennen. Vielleicht war es besser so, denn ihr wäre ohnehin nichts Passendes eingefallen.
„Wenigstens scheint ein Tanz mit mir Ihnen angenehmer zu sein als ein Tête-à-Tête mit diesem hartnäckigen … Verehrer“, stellte er fest, als die Schrittfolgen sie wieder zueinander führten.
„ Alles lieber als das!“, entfuhr es Hester.
Lensborough lachte auf, sodass Hester fürchtete, dass alle sich zu ihnen umdrehen würden. Zum ersten Mal während seines Besuchs machte sich hinter seiner strengen Miene so etwas wie Humor bemerkbar.
Hester sah ihm ins Gesicht und musste feststellen, dass die kleinen Lachfalten an seinen Augen und die zu einem ausnahmsweise nicht sardonischen, sondern heiteren Lächeln hochgezogenen Mundwinkel alle Härte aus seinen Zügen hatten weichen lassen.
„Ich bitte um Entschuldigung“, sagte sie errötend, bevor die vorgeschriebenen Schrittfolgen sie wieder auseinanderrissen. Es war unmöglich, während dieses Tanzes ein zusammenhängendes Gespräch zu führen.
Warum fand er ihre Antwort bloß so amüsant? Nun, vermutlich begegnete er nicht oft Personen, die einfach sagten, was sie dachten, ohne sich um seinen Rang zu scheren. Wusste er unkonventionelle Dinge zu schätzen? Zog er deshalb dieses Tigerauge, dessen Streifen exakt in den Brauntönen und Lichtreflexen seiner Augen glitzerten, etwa einem Diamanten oder reinem Gold vor?
„Keine Ursache.“ Er lächelte, als sie wieder aufeinander zu schritten. „Ich schätze, wir schulden einander ungefähr dieselbe Zahl an Abbitten. Sollen wir sie einfach miteinander verrechnen?“
Sie nickte während ihrer Drehung und kam zu dem Schluss, dass sie ihre Cousinen vielleicht doch nicht bedauern musste. Immerhin wollten sie unbedingt heiraten, und vielleicht würde Lord Lensborough für eine von ihnen ein ebenso guter Ehemann werden wie Onkel Thomas für Tante Susan: etwas brüsk im Auftreten, eher an die Gesellschaft von Sportsfreunden gewöhnt als an vornehme Konversation, eher im Stall als im Salon zu Hause, aber mit einem anständigen Kern hinter der rauen Schale.
Überrascht bemerkte sie, dass der Tanz schon zu Ende war und Lord Lensborough sie quer durch den Saal führte.
„Ich überlasse Sie nun Mr. Farrars fähigen Händen.“
Sie kam aus dem Staunen nicht heraus: Anscheinend hatte er während der Durchquerung des Saals die ganze Zeit ihre Hand gehalten, ohne dass diese Berührung ihr nur im Mindesten unangenehm gewesen wäre.
Verwirrt löste sie sich von ihm und legte ihre Hand auf Mr. Farrars Rockärmel, um sich wieder auf die Tanzfläche führen zu lassen.
Sie musste einräumen, dass auch Mr. Farrar gar nicht so schlimm war. Sobald er bemerkt hatte, wie unangenehm ihr seine Flirtversuche waren, hatte er sich seine Komplimente für Julia und Phoebe aufgehoben.
Sie fragte sich, warum die beiden Herren so viel Rücksicht auf sie nahmen. Normalerweise gefielen sich Männer ihres Schlags doch darin, schüchterne und unbeholfene Geschöpfe wie sie aufzuziehen. Diese beiden hingegen waren ihrem linkischen Verhalten gegenüber ebenso tolerant wie ihr Onkel oder Henriettas Gatte Peter.
Stirnrunzelnd beobachtete sie, wie Lord Lensborough mit der voluminösen Henrietta ein vornehmes Menuett tanzte und sie mit seinen Bemerkungen zum Lachen brachte.
Hatte er Lionel eben wirklich einen Idioten genannt? Bei der Begegnung in der Bibliothek hatte sie den Eindruck gewonnen, die beiden wären sich sympathisch, und ihre vielen gemeinsamen Ausritte hatten sie darin bestärkt. Doch vielleicht hatte der Marquis sie die ganze Zeit nur zu schützen versucht …
Genau in diesem Moment wandte er den Kopf, als habe er gespürt, dass sie an ihn dachte. Ihre Blicke trafen sich, und ein bis zwei Herzschläge lang gab es niemanden im Raum außer ihm. So etwas hatte sie nie zuvor empfunden. Trotz des räumlichen Abstands zwischen ihnen fühlte sie sich ihm unerklärlich nah.
Sie blinzelte, um sich von dem Bann zu befreien, in den Lord Lensboroughs Augen sie geschlagen hatten. Sie strauchelte, Mr. Farrar korrigierte ihren Fehltritt, und jetzt hörte sie auch wieder die Musik und das Geplauder der restlichen Gesellschaft.
„Mama“, zwitscherte Julia, als der Tanz sich seinem gemessenen Höhepunkt näherte, „wäre es unschicklich, sich als Nächstes einen Walzer zu wünschen?“
Hester drohte ihre mühsam wiedergefundene Haltung zu verlieren. Ein traditioneller Tanz
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