Stürmische Begegnung - zauberhafte Eroberung
mit kurzen Berührungen, die sich zudem auf die Hände beschränkten, war auszuhalten – aber ein Walzer, bei dem der Mann die Frau fest in den Armen hielt und sie nötigte, jede seiner Bewegungen mitzumachen? An so einer öffentlichen Demonstration der maskulinen Macht über Frauen konnte sie sich unmöglich beteiligen!
Doch Lady Gregory nahm die Notsignale, die ihre Nichte aussandte, nicht wahr. „Ich wüsste nicht, was dagegenspräche. Was sollte bei einem privaten Familienfest schon Anstößiges geschehen?“
Emily hingegen war Hesters Entsetzen nicht entgangen, und sie erhob sich vom Klavierstuhl. „Mit Verlaub, Mylady, das sehe ich anders. Es sind drei alleinstehende Herren zugegen, die nicht mit Ihren Töchtern oder Ihrer Nichte verwandt sind.“
„Sei doch nicht prüde, Emily“, klagte Lionel. „Soll ich den anderen etwa wegen deiner antiquierten Moralvorstellungen tatenlos zusehen?“
„Du kannst mit mir tanzen; wir sind ja verwandt. Und Hester spielt solange Klavier.“
„Nun, ich wüsste nicht, was am Walzer auszusetzen ist“, verkündete Julia. „In London habe ich ihn mit allen möglichen Gentlemen getanzt, mit denen ich nicht verwandt bin.“
„Dann müssen Sie diesen mit mir tanzen.“ Lord Lensborough ging zu Julia hinüber und setzte mit sanfter Stimme hinzu: „Und ich komme zum ersten Mal während meines Besuchs in den Genuss, Lady Hester Piano spielen zu hören.“
Hester ließ sich auf den Klavierstuhl sinken. Sobald Stephen Phoebe aufgefordert hatte, waren alle jungen Damen versorgt, und sie konnte anfangen.
Ihre Finger flogen beschwingt über die Tasten. Indem er ihr Klavierspiel hervorgehoben hatte, hatte Lord Lensborough dafür gesorgt, dass ihr Verzicht auf diesen Tanz nicht merkwürdig wirkte.
Nun wurde auch deutlich, wie heroisch Emilys Rettungsmanöver gewesen war: Die Ärmste war offenbar keine begnadete Walzertänzerin. Lionel stieß jedes Mal, wenn sie ihm auf den Fuß trat, einen Fluch aus, und als die beiden das Piano passierten, hörte Hester ihn sagen: „Emily, du tanzt mit der Grazie eines Zirkuselefanten.“
„Ich habe dir nicht versprochen, dass es ein Genuss werden wird“, gab sie zurück. „Du kannst dir vorstellen, wie oft ich im Pfarrhaus zum Üben komme.“
„Du würdest nirgends mehr Übung bekommen. Nur ein Mann mit Nagelschuhen würde dich ein zweites Mal auffordern.“
Emily zwinkerte Hester über seine Schulter zu. Hester unterdrückte ein Kichern und brachte das Stück zum Abschluss.
Die Tänzer applaudierten ihrem Spiel und arrangierten sich neu. Nachdem Lord Lensborough mit der einen Schwester getanzt hatte, wandte er sich konsequenterweise der anderen zu. Hester entschied sich für ein Stück, das sie auswendig spielen konnte: Aus irgendeinem Grund wollte sie jetzt, da sich ihre Meinung über ihn gebessert hatte, genau sehen, wie Lord Lensborough mit Phoebe umging.
Seltsam; er schien keinerlei Konversation zu machen und wirkte eher ein wenig gelangweilt. Sie stutzte. Vielleicht war er eher angespannt als gelangweilt. Selbst beim Tanz mit Henrietta hatte er lockerer gewirkt als mit Phoebe oder Julia.
Eigentlich kein Wunder, musste er schließlich eine Entscheidung fürs Leben treffen. Vielleicht nahm er die Ehe doch nicht auf die leichte Schulter, wie sie zunächst geglaubt hatte.
Während sie den Blick schweifen ließ, bemerkte sie, dass Emily mit ihrem neuen Tanzpartner Mr. Farrar auch nicht glücklich war. Zwar harmonierten ihre Schritte vollkommen – was Lionel Lügen strafte –, doch Emilys Gesicht war dunkelrot. Offenbar hatte Mr. Farrar den Fehler gemacht, mit ihr ebenso eifrig zu flirten wie mit ihren Cousinen, und sie mochte das ebenso wenig wie Hester. Außerdem hatte sie eine klare Meinung über Dandys, die ihr ganzes Geld an ihre Garderobe verschwendeten, während unzählige Familien halb verhungert betteln mussten.
Das Stück ging zu Ende, aber ihre Cousinen verlangten nach mehr, und Lady Gregory gab ihre Zustimmung. Also begann Hester mit dem dritten Walzer.
Lord Lensborough wandte sich Emily zu und schien sie zu Hesters Erstaunen gleich zu besänftigen, während Lionel Phoebe, die sich völlig niedergeschlagen aus Lord Lensboroughs Umarmung gelöst hatte, ein Lächeln abringen konnte. Der Walzer schien ein Tanz zu sein, der die Gefühle aller Beteiligten auf den Kopf stellen konnte.
Sir Thomas verkündete, nun sei es aber genug mit dem Tanzen; höchste Zeit, sich im Salon bei einigen Erfrischungen von den Strapazen
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