Stürmische Eroberung
ihr – wie ein Panter seiner Beute, dachte sie im Stillen. Sie stellte das Glas auf den Tisch und wandte sich um. Er stand viel zu dicht neben ihr! Wenn er nur nicht wieder versuchte, sie zu küssen … Doch er schien nicht vorzuhaben, mit seinem Benehmen irgendeinen Anlass zu Tadel zu geben.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, schlenderte er hinüber zum Fenster, setzte das Glas an die Lippen und sah Prudence über dessen Rand hinweg an. Er schien völlig in Gedanken versunken, als ob er im Geiste gerade äußerst wichtige Entscheidungen träfe. Dann trank er langsam und genießerisch, ohne sie auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, was Prudence ausgesprochen unangenehm war. Sie wünschte, sie hätte ihm nichts angeboten.
"Pflegen Sie auch sonst Herren hereinzubitten, wenn Sie hier allein sind? Glauben Sie nicht, dass das ein wenig unschicklich ist? Sie könnten Ihren Ruf ruinieren", gab er zu bedenken. Allerdings schien er dies nicht als Vorwurf zu meinen.
Dennoch ärgerte sich Prudence über die Bemerkung. Eine solche Unverschämtheit verdiente keine weitere Höflichkeit. "Nein, das tue ich keineswegs. Ich hoffe, Sie missdeuten meine Absichten nicht. Wenn Sie irgendein Mann wären, hätte ich Sie niemals ins Haus eingeladen. Aber wir sind einander vorgestellt worden, und noch dazu sind Sie eng mit Thomas befreundet. Es wäre ausgesprochen unfreundlich und ein Verstoß gegen die guten Sitten, wenn ich Sie draußen stehen ließe. Aber offenbar habe ich Sie falsch eingeschätzt und einen schlimmen Fehler begangen", erklärte sie aufgebracht und war kurz davor, ihn zu bitten, Willow House auf der Stelle zu verlassen. Doch zu ihrem Verdruss bemerkte sie, dass er kurz davor war, laut loszulachen.
Schließlich kam er auf sie zu und antwortete: "Nein, das haben Sie ganz und gar nicht – und ich wollte auch nicht mit Ihnen schimpfen. Ich bin wirklich froh, dass Sie mich hereinbaten. Die kleine Erfrischung kam mir ausgesprochen gelegen. Schließlich ist es ein heißer Tag, und ich habe einen weiten Ritt hinter mir." Mit einem Zug leerte er das Glas und setzte es dann auf dem Tisch ab. "Verbindlichsten Dank."
Er machte noch einen Schritt auf sie zu und ließ den Blick auf ihren sinnlichen Lippen ruhen, bis sie erzitterte. Ihr Gesicht spiegelte die widersprüchlichsten Gefühle wider. Prudence' Unschuld und heillose Verwirrung reizten Lucas, doch er hatte Mitgefühl mit ihr. Sanft strich er ihr über den Nacken und stellte glücklich fest, dass sie nicht schockiert zurückwich. Mit einem warmen Lächeln suchte er ihren Blick und sah ihr in die tiefvioletten Augen.
"Lieber Himmel, Sie sind einfach bezaubernd", flüsterte er. "Wie eine Wildblume, die nur in Freiheit voll erblüht."
Was redete er da nur? Wahrscheinlich hat er laut gedacht, und die Bemerkung ist mehr für ihn als für mich bestimmt, überlegte sie. Dennoch brachten die Worte eine bis dahin unbekannte Saite in ihr zum Klingen. Es stimmte, was er sagte. Plötzlich änderte sich seine Miene, und eine Falte erschien über seiner Nase. Eilig wandte er sich um und ging zur Tür, wo er sich noch einmal umdrehte.
"Können Sie eigentlich reiten?"
"Ja … durchaus. Aber weshalb fragen Sie?"
"Ich will Thomas suchen. Würden Sie mich begleiten?"
"Das geht leider nicht", antwortete sie, selbst erstaunt darüber, wie enttäuscht sie war, sich jetzt von ihm trennen zu müssen. "Im Augenblick besitzen wir nur zwei Pferde hier auf Willow House. Eins reitet Thomas gerade und das andere Ned."
Lucas nickte. "Dann auf ein andermal, vielleicht?"
"Sicher."
Prudence sah ihm nach, als er davonritt, und sann über diesen sonderbaren Besuch nach. Der Mann weckte tatsächlich die eigenartigsten Empfindungen in ihr. Natürlich gefiel ihr seine männliche Erscheinung, die verführerischen dunklen Augen und der sinnliche Mund. Aber damit muss es dann auch genug sein, ermahnte sie sich streng. Blieb nur zu hoffen, dass er es nicht zur Gewohnheit werden ließ, regelmäßig auf Willow House zu erscheinen.
Sie ging hinaus in den Garten, kniete sich wieder auf die kleine Matte und machte sich erneut daran, die Löwenzahnwurzel auszugraben, sah aber trotzdem noch einmal auf und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Mit welcher Zärtlichkeit er sie angesehen hatte, als er ihr über den Nacken strich! Und er hatte damit in ihr Gefühle ausgelöst, die unbeschreiblich waren, so dass sie beinahe versucht gewesen war, den Kopf zu drehen und die Innenfläche seiner Hand zu
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