Stürmische Eroberung
ihn doch kaum. Bestimmt waren deine Empfindungen nichts als ein harmloser Schwarm für einen gut aussehenden Mann. Es mag dir ja wie die ewige Liebe vorgekommen sein, aber solche Strohfeuer sind selten von Dauer. Diese kleine Verliebtheit hat nur deshalb bis heute angedauert, weil er so lange fort war. Aber nun, da er wieder in England ist, wirst du sicher feststellen, dass er weit hinter deinen Wunschträumen zurückbleibt."
Trübsinnig betrachtete Prudence die Schwester. Sicher versuchte Arabella nur, sie aufzuheitern, aber es gelang ihr nicht. Im Gegenteil, diese Bemerkung forderte nur Prudence' Widerspruch heraus. "Was ich für Adam empfand, ging weit über eine harmlose Schwärmerei hinaus, Arabella – und ich habe ihn mir auch nicht als strahlenden Helden ausgemalt." Sie zögerte einen Augenblick und fügte dann ein wenig kleinlauter hinzu: "Zumindest glaubte ich das. Als wir uns zum letzten Mal sahen, bevor er nach Frankreich ging, erschien ich ihm vielleicht noch als kleines Mädchen, aber nun wird er feststellen, wie sehr ich mich verändert habe. Ich bin jetzt erwachsen. Selbst Lucas sagte …"
Erstaunt sah Arabella auf. "Lucas?" unterbrach sie die Schwester. "Damit dürfte Lord Fox gemeint sein, wie ich wohl vermuten darf. Und was genau geruhte dieser Gentleman dir also mitzuteilen?" fragte sie scharf.
"Nun, dass er mich sehr hübsch findet und mir dies ausdrücklich bestätigt hat."
Arabella wurde blass, als sie die Röte bemerkte, die Prudence' Wangen überzog, als sie von Lord Fox erzählte. Die kleine Schwester war reif für die Liebe – das war nicht zu übersehen. Und da Adam nun einmal vergeben war, würde zweifellos bald ein anderer junger Mann kommen, an dem Prudence Gefallen finden würde – aber ausgerechnet Lord Fox?
Arabella hatte nichts gegen diesen Mann einzuwenden, ganz im Gegenteil, sie mochte ihn sogar – doch auch ihr war sein Ruf als Frauenheld bekannt. Und Fox war der letzte Mann auf der Welt, den sie Prudence als Verehrer wünschte. Aber selbst er konnte doch wohl nicht so verdorben sein, dass er sein Spielchen mit der unschuldigen Schwester eines seiner engsten Freunde trieb …
"Glaub mir, Prudence, ich kann es mir kaum verzeihen, dass ich dich an jenem Tag allein gelassen habe, als Lord Fox uns hier aufsuchte. Wie Thomas mir anvertraute, ist der Mann wahrlich kein Heiliger, wenn es um Frauen geht. Ganz im Gegenteil, er steht in dem Ruf, keiner Ausschweifung abgeneigt zu sein. Dagegen bist du ein kleines Unschuldslamm. Ich muss dich also inständig davor warnen, seinem Charme zum Opfer zu fallen."
"Nur keine Sorge. Es stimmt schon, Lord Fox ist anders als jeder Mann, den ich je getroffen habe, und ich bin schrecklich unsicher und aufgeregt in seiner Gegenwart. Trotzdem ist es unvorstellbar, dass ich in ihm je mehr als einen von Thomas' Freunden sehen könnte. Ich weiß nicht, was ich vom Leben will, Arabella, aber eins kann ich dir mit Sicherheit sagen: Es ist nicht Lucas Fox", erklärte sie bestimmt, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr eine tiefe Röte ins Gesicht stieg, wie immer, sobald sie an den faszinierenden Nachbarn dachte. "Wenn du mich fragst, ist er scheußlich arrogant und herrschsüchtig. Und denk nur nicht, ich würde seinen schlechten Ruf nicht kennen. Glaub mir, ich besuche sein Bankett mit der gleichen Begeisterung, als ginge ich zu meiner eigenen öffentlichen Auspeitschung."
Für den Abend auf Marlden Hall wählte Prudence dasselbe tiefblaue Kleid, das sie am Tag der Prozession des Königs durch London getragen hatte. Arabella hatte ihr das Haar zu einer hübschen Hochsteckfrisur arrangiert, aus der verspielt einige lange Locken bis auf die Schultern fielen.
Als sie jetzt in der Kutsche saß, wurde Prudence bei der Vorstellung ganz schlecht, gleich Adam gegenüberzutreten und seiner Gemahlin vorgestellt zu werden. Außerdem musste sie einen ganzen Abend in der Gesellschaft des Furcht einflößenden Lord Fox verbringen!
Versonnen betrachtete Prudence die reizvolle Landschaft, die sie mit der Kutsche durchquerten. Immer wieder kam zwischen den Bäumen der Fluss in Sicht, der sich malerisch durchs Tal schlängelte. Endlich bogen sie in eine Buchenallee ein, die nach Marlden Hall führte. Die Baumkronen leuchteten in dem satten dunklen Grün des Sommers. Als das Herrenhaus schließlich vor ihnen auftauchte, war Prudence fast zu aufgeregt, um den Anblick angemessen zu würdigen. Es war ein beeindruckender Bau mit vielen kleinen Erkern, der
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