Stürmische Eroberung
während der Regentschaft Heinrichs VIII. entstanden war. Die Front bildete ein großer Turm, hinter dem das Haus inmitten großer Gärten und einer weitschweifigen Parkanlage lag, in der die schönsten Eichen und hohe Fichten wuchsen.
Die Kutsche hielt schließlich vor einer weißen Steintreppe, die zum Eingang hinaufführte. Diener in grün-goldener Livree eilten herbei, um den Gästen beim Aussteigen behilflich zu sein. Der Anblick des Hausherrn, der nun zu ihrer Begrüßung nach draußen kam, raubte Prudence fast den Atem. Selbst die vergangenen stürmischen Begegnungen mit Lord Fox hatten sie hierauf nicht vorbereiten können. Er sah verteufelt attraktiv aus, angetan in elegantem schwarzen Samt und einem kurzen Umhang, der mit Gold durchwirkt war. Alles in allem war er schlicht das Bild selbstbewusster adliger Männlichkeit.
"Willkommen auf Marlden Hall", rief er, als die Fairworthys der Kutsche entstiegen, und lächelte ihnen kurz zu, bevor er den Blick auf Prudence ruhen ließ. Tief sah er ihr in die Augen, so dass ihr ein sonderbarer Schauer über den Rücken lief. "Tretet ein. Drinnen warten bereits weitere Gäste – die meisten werden euch bekannt sein."
Lucas entging nicht, wie sich Prudence' Miene bei diesen Worten verfinsterte. Sicherlich dachte sie in diesem Moment daran, dass sie Adam gleich gegenübertreten musste. Doch selbst ihre finstere Miene konnte ihn nicht davon abhalten, ihre Schönheit zu bewundern.
"Das Kleid steht Ihnen ausgezeichnet. Das ist mir übrigens schon bei unserer ersten Begegnung aufgefallen – und dennoch wird es kaum der Schönheit ihrer Gestalt gerecht", flüsterte er ihr ins Ohr, nahm ihr das Cape aus schimmerndem Satin ab und strich ihr dabei zärtlich über die empfindsame Haut am Nacken.
Überrascht von dieser Berührung und deren entflammender Wirkung, wandte Prudence sich um und sah, dass er sie viel sagend anlächelte. Himmel, die Augen dieses Mannes besaßen ein solches Feuer! "Lord Fox", wies sie ihn leise zurecht und vermied es bewusst, ihn beim Vornamen zu nennen, obwohl er sie ja darum ersucht hatte. "Sie sind allzu aufdringlich."
"Bedauerlicherweise kann ich Ihnen nicht widersprechen", stimmte er scheinbar zerknirscht zu und sah ihr herausfordernd in die Augen.
Solomon, Fox' orientalischer Diener, erschien, um seinem Herrn das Cape abzunehmen. Der dunkelhäutige Mann trug einen weißen Turban, eng anliegende Hosen aus Satin und eine karmesinrote Tunika. Mit der Würde eines Königs schritt er auf die Eingangshalle zu.
Verunsichert sah Prudence zu den weit offen stehenden Flügeltüren, die zu einem großen Salon führten, aus dem amüsiertes Gelächter drang. Am liebsten wäre sie davongelaufen.
"Folgt mir einfach", forderte Lucas die Fairworthys auf. "Ich werde dich und deine Familie ja wohl kaum vorstellen müssen, Thomas. Ihr kennt alle Anwesenden." Besitzergreifend umfasste er Prudence' Ellbogen und ging mit ihr voran in den Salon.
Unter anderen Umständen hätte Prudence den exquisit eingerichteten Raum sicherlich gebührend bewundert. Er war mit einem dicken grünen Teppich ausgelegt, und die Wände waren mit indischem Tuch bespannt. Doch sie hatte nur Augen für einen schlanken blonden Mann, der neben einer brünetten Dame saß. Für die anderen zwölf Gäste besaß sie keinen Blick.
Adam und seine Gemahlin erhoben sich, um die Fairworthys zu begrüßen. Nachdem er Lucy und Arabella einander vorgestellt hatte, wandte Adam sich zu Prudence. Ihre Geschwister schickten sich bereits an, die Runde bei allen anwesenden Freunden zu machen, die ausnahmslos ebenfalls zu den aus dem Exil heimgekehrten Royalisten gehörten. Verity war zurückgeblieben, um sich mit ihrer Schwester zu unterhalten.
Lucas blieb allerdings in Prudence' Nähe und beobachtete sie genau. Ihre Augen schienen sich zu verdunkeln, aber sie lächelte tapfer und hob das Kinn. Es gelang ihr, sich trotz Adams Gegenwart unbefangen zu geben, als wäre sie ausgesprochen erfreut über dieses Wiedersehen. Lucas war wirklich stolz auf sie – das Mädchen besaß Selbstbeherrschung!
"Wie schön, dich zu sehen, Adam", erklärte Prudence und sah ihm tapfer in die Augen, auch wenn ihr das Herz wie wild in der Brust schlug und sie sich furchtbar fühlte. Obwohl er sich äußerlich kaum verändert hatte, wirkte er doch viel gesetzter, seitdem er wieder in England war. Das lag wahrscheinlich an der jungen Frau an seiner Seite. Lucy Lingart war klein und zierlich. Ein Wust dunkler Locken umgab das
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