Stürmische Eroberung
wie der Mann aussah?"
"Ungepflegt, kräftig, mit kleinem Bart und hervortretenden Augen."
"Ja, das klingt nach dem Kerl, mit dem Jeffrey die Prozession am Strand beobachtete. Warum nur hasst er dich so sehr?"
"Das ist eine lange und traurige Geschichte", antwortete er, nahm neben ihr Platz und legte den Arm sie. "Es hat sehr lange gedauert, bis meine Mutter mit mir schwanger wurde. Meine Eltern glaubten schon, sie könnte keine Kinder empfangen. Onkel George war zehn Jahre jünger als mein Vater und dessen Erbe. Nun dachte George, der Besitz würde an ihn und seine Kinder fallen. Er heiratete und bald darauf wurde Jeffrey geboren. Mein Onkel erzog den Sohn als künftigen Herrn von Marlden Hall. Da wurde meine Mutter nach Jahren doch noch mit mir schwanger. Jeffrey war damals acht.
Weder George noch mein Cousin haben mir je vergeben, dass ich auf die Welt kam. Wann immer Jeffrey uns besuchte, ritt er das ganze Anwesen ab und steigerte sich dabei immer mehr in den Hass auf mich hinein. Ich begriff erst in Marseille, dass er zu meinem tödlichen Feind geworden war." Er seufzte und sah Prudence an. "Den Rest der Geschichte hast du ja heute gehört."
Damit stand er auf, nahm ihre Hand und zog sie auf die Füße. "Und jetzt lass uns etwas zusammen essen, Liebste. Danach bringe ich dich dann nach Maitland House zurück. Morgen wird ein anstrengender Tag für dich. Wenn ich dich bei Hofe als meine Gemahlin einführe, brauchst du große Roben. Bestimmt weiß Verity, wer die beste Schneiderin Londons ist."
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn leicht auf den Mund. "Ich werde Sie noch teuer zu stehen kommen, Mylord", erklärte sie dann mit schelmischem Lächeln.
Amüsiert zwinkerte er ihr zu. "Du wirst mich schon nicht ruinieren, mein Engel. Wie du ja weißt, habe ich Konstantinopel nicht als armer Mann verlassen. Als meine Gemahlin sollst du von allem nur das Beste bekommen – dabei fällt mir ein, ich habe ja etwas für dich."
Allein die Schwere des Rings, den er ihr über den Finger streifte, ließ Prudence den Atem anhalten. Ein Kreis großer Diamanten umschloss einen orientalischen Topas, der leuchtete wie die Sonne selbst. Angeblich hatte der Ring einmal einer der Gemahlinnen des Königs von Siam gehört, wie Lucas zu berichten wusste. Er selbst hatte ihn dann in Konstantinopel von einem freien Kaufmann erworben und das Schmuckstück aufbewahrt, um es seiner zukünftigen Braut eines Tages schenken zu können.
Nachdem sie vorzüglich miteinander gespeist und die schönsten Pläne für die Zukunft geschmiedet hatten, brachte Lucas sie zurück nach Maitland House. Tante Julia war noch bei Mary in Bishopsgate, aber Thomas, Verity, Arabella und Robert erwarteten das Paar bereits voller Spannung. Alle waren begeistert, als sie die wunderbaren Neuigkeiten erfuhren, und sie stießen unter vielen guten Wünschen und glücklichem Lachen auf die frisch gebackenen Verlobten an. Am nächsten Morgen machten Arabella und Verity sich dann mit Prudence auf den Weg zu den teuersten Tuchhändlern.
15. Kapitel
In der kleinen Hafenstadt Wapping am Ufer der Themse stank es überall nach Fisch und Tauwerk. Die engen Straße und Gassen waren von heruntergekommenen niedrigen Häusern gesäumt: Kneipen, Bordelle und Brauereien. Hier lebten fast nur arme Tagelöhner, Bettler oder Gesindel. Die Tavernen waren schäbig, und ein Besuch dort konnte gefährlich sein, denn die Gäste scherten sich wenig um Recht und Ordnung.
So auch im Black Cod , wo sich Matrosen beim Landgang mit Rum und leichten Mädchen amüsierten. Es verging keine Nacht, ohne dass sich nicht einer der Gäste dieser Spelunke zusammengeschlagen oder mit einem Messer zwischen den Rippen in der Themse wiedergefunden hätte.
Gerade hatte wieder ein Schiff angelegt, dessen Mannschaft nun in die Stadt stürmte, um sich im Black Cod zu amüsieren. Zwei spärlich bekleidete Huren, deren rote Brustspitzen aus dem Mieder lugten, witterten ein gutes Geschäft und kamen von der Straße herein. Sofort griffen zwei Betrunkene nach ihnen und zogen die beiden allzu bereitwilligen Frauen auf den Schoß.
Neben einem vollen Krug Ale saß Jeffrey Fox, der das wilde Treiben um sich herum überhaupt nicht wahrnahm. Blicklos starrte er aus dem Fenster auf das dunkle Wasser des Flusses und dachte an den Mann, den er so sehr verabscheute. Er hasste seinen Cousin nun schon derart lange und mit solcher Inbrunst, dass er fast versucht war, ihn vor allen Leuten auf offener
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