Stürmische Eskapaden - Lady in Waiting (Featherton 2)
versucht! Und selbst da war das Beste, auf das sie kurzfristig hoffen konnte, ein aufgearbeitetes Kleid gewesen.
Was kaum das Gleiche war. Aufgearbeitete Kleider ließen den Körper nicht vor Vergnügen erschaudern, oder?
Daher hatte Jenny beschlossen, dass ihr Laden mehrere Kleider führen würde, die nach dem Vorbild der neuesten Modelle in La Belle Assemblée entworfen und auf Frauen mit durchschnittlichen Proportionen zugeschnitten waren. Sie selbst würde, da sie durchaus geschickt mit der Nadel umzugehen wusste, letzte nötige Änderungen für die jeweilige Kundin vornehmen.
Als Jenny nach dem Begleichen all ihrer Schulden in ihre Kammer zurückkehrte, fühlte sie sich beinahe wie beschwipst. Es würde wirklich geschehen. Obgleich es jeden Shilling verschlingen
würde, der ihr geblieben war, würde sie sich am Samstag mit Mr. Lewis treffen, und der Laden würde ihr gehören. Ihr .
Jenny sah sich bereits in dem eleganten, mit Seide ausgekleideten Geschäft stehen. In einem der schmalen Schaufenster würde sich eine Pyramide ihrer Prickelcremetiegel türmen, denn die Creme war ihre Haupteinnahmequelle. Das andere Schaufenster würde eine fantastische Auswahl an Schmuck, Fächern und Schuhen zieren, alles exquisit genug, um selbst die vernünftigste Lady schwach werden zu lassen.
Und jeden Tag würde sie ein anderes Schmuckstück oder vielleicht einen neuen Umhang tragen. Nun, das war sinnvoll. Denn wie sollten ihre Kunden die wahre Pracht der eleganten Waren beurteilen, wenn alles in Glasvitrinen gestopft war? Es war einfach nicht dasselbe, oder?
Der Gedanke an ihre Zukunft ließ ein Glücksgefühl in ihr keimen, doch irgendwie kam dieses Gefühl nie zur Blüte, konnte nie den Kummer in ihrem Herzen vertreiben.
Sie vermisste Callum.
Just in diesem Moment kam Miss Meredith in ihre Kammer gestürmt und sprang auf Jennys Bett wie die getigerte Katze der Köchin.
»Beeil dich, du kannst nicht deine Zofenuniform tragen - du musst dir etwas Passenderes anziehen.« Meredith konnte vor Aufregung kaum an sich halten.
»Etwas Passenderes für … was?«, fragte Jenny argwöhnisch.
»Für ein Gespräch.« Meredith schüttelte aufgebracht ihre Hände. »Meine Güte, Jenny, er ist gekommen, um dich zu sehen.«
»Ach, Herrgott noch mal.« Jenny verdrehte ärgerlich die Augen. » Wer ist gekommen?«
»Bitte, Jenny. Ich komme nur hier heruntergerannt, wenn
er dich besuchen kommt. Und er ist gekommen.« Meredith ergriff Jennys Hände und drückte sie. »Lord Argyll ist oben im Salon.«
Jenny zog sich kein passenderes Kleid an. Es war nur angemessen, dass seine Lordschaft sie als das sah, was sie wirklich war - eine Zofe.
Als sie sich dem Salon näherte, in dem er wartete, warf sie einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Jedes Haar war an seinem Platz, und im nachmittäglichen Licht betonten ihre hübschen Ohrringe perfekt die grünen Sprenkel in ihren Augen.
Sie überlegte kurz, die Ohrringe abzunehmen - damit er nichts außer einer Kammerzofe sehen würde. Doch ihre nackten Ohrläppchen würden ihm ebenso wenig einen Eindruck der »wahren« Jenny vermitteln, als wenn sie das Zimmer in einem reich verzierten Ballkleid betreten würde.
Nein, dies war sie - eine Zofe mit Ohrringen. Sie hatte sogar schon mit angehört, wie die anderen Bediensteten sie so titulierten - nur dass es dann die Zofe mit den verdammten Ohrringen war.
Ach, verflixt und zugenäht, sie versuchte nur, es hinauszuzögern. Über zwei Wochen lang hatte sie auf diesen Moment gewartet, und jetzt, da es soweit war, konnte sie kaum ihre Füße zwingen, sich zur Tür zu bewegen.
Setz einfach einen Fuß vor den anderen. So ist’s recht. Jetzt den anderen. Du hast es schon fast geschafft. Hand auf die Klinke. Runterdrücken. Und jetzt Tür aufstoßen .
Die Angeln quietschten klagend, als die Tür aufschwang.
Callum saß vor dem lodernden Kaminfeuer. Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt, und sein Kopf ruhte auf seinen Händen. Als er die Tür aufgehen hörte, blickte er auf. Er stand zögernd auf, was Jenny den Eindruck vermittelte, dass er in diesem Moment ebenso nervös war wie sie.
Als sie die Tür hinter sich schloss und sich wieder umdrehte, entging Jenny nicht sein musternder Blick, der an ihren Ohrringen hängen zu bleiben schien. Doch sie konnte es ihm nicht übel nehmen. Die Ohrringe waren ausgesprochen hübsch.
»Lord Argyll«, sagte sie, und ihr Tonfall war kühler, als sie es beabsichtigt hatte. Sie knickste artig. Es
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