Stuermische Gefahr
Mist und überhaupt. Die erstbeste Abfalltonne draußen musste dran glaube n . Krachend flog sie durch seinen Fußtritt gegen eine Wand. Konnte sie nicht mal nachdenken, bevor sie sich in ein Abenteuer stürzte? Sie war einfach vor ihm davongelaufen. Hatte Hals über Kopf einen Plan geschmiedet , ihren verrückten, besessenen Mann um die Scheidung zu bitten und war schon wieder weggelaufen , um mal eben mitten in einen Jahrhundertsturm zu fahren. Alles in allem liebte er sie dafür. Es war unglaublich, dass diese Tatsache so selbst verständlich war. Es machte ihm keine Angst mehr. Es erschien ihm als das natürlichste Gefühl der Welt. Sie wartete nicht, sie tat etwas. Sie lebte und kämpfte für sich und vor allem für andere. Aber das Nachdenken vor solchen „Taten“ musste er ihr noch beibringen. Als hätte man ihm eine Faust in den Magen gerammt , wurde ihm wieder bewusst, dass sie ja nicht „seine Scarlett“ war.
„Wenn du jetzt einen Hubschrauber nimmst, kannst du es vor dem Sturm noch nach New Orleans schaffen.“
Dieses Mal hatte er Coreys Absätze nicht gehört. „Was?“
„Du willst doch dieser Frau hinterherjagen. Wahrscheinlich kommst du dabei um, aber da du nicht mehr für mich arbeitest, kann es mir ja egal sein.“
„Was?“
„Du bist Lektor, du solltest redegewandter sein.“
„Du lässt mich gehen?“
„Na ja, wenn dich der Sturm nicht umbringt, dann hast du dir echt ein Leben mit der Frau verdient.“
„Welchen Preis zahle ich dafür?“
Corey grinste schief. „Du zahlst fast gar keinen Preis dafür.“
„Barrett hat sich eingetauscht für mich, nicht wahr?“ Aidan musste lachen. Sein kleiner Bruder brachte gerade die Welt in Ordnung. Stolz, Freude und auch Sorge erfüllten ihn. Er war sein kleiner Bruder, also würde er sich immer um ihn sorgen. Aber das war wohl nach allem nicht mehr nötig. Da hatte eine Stärke in Barretts Augen gelegen, die er früher nicht gesehen hatte. Er würde ein SAJ werden , und wahrscheinlich einer der Besten . „Er hat dir gesagt, dass er nichts für dich tun wird, es sei denn du lässt mich gehen. Und da du noch ein bisschen Ehre im Leib hast, hast du dich darauf eingelassen. Außerdem heißt das, wenn ich jemals plaudere, tötest du meinen Bruder.“
Coreys Antwort war sein Zahnpastalächeln.
„Du weißt, dass ich niemals reden würde.“
Das Zahnpastalächeln verschwand. „Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass Evans hinter seiner Frau her ist. Du wirst tun , was nötig ist.“
Er klopfte Aidan auf die Schulter. „Dein letzter Auftrag sozusagen. Du solltest dich beeilen.“
Jetzt hörte Aidan die Rotoren des Hubschraubers auch. „Sag Barrett, dass ich ihn verdammt nochmal liebe.“
„Er weiß es.“
*
Lance stand am Fenster seines Krankenzimmers. Die Rippen waren nur geprellt , und die Nase war gebrochen. Das blaue Auge würde auch irgendwann abschwellen. Eigentlich konnten sie ihn nach Hause lassen. Nach Hause. Er legte die Stirn an das kühle Fenster. Sein Zuhause und das Charity Hospital schienen so weit entfernt. So als sei das in einem anderen Leben gewesen. Außerdem würde er sicher erst den Hurrikan hier abwarten müssen.
Wollte er überhaupt zurück nach New Orleans? Er sah Rosa vor sich. Sie hatte keine Wahl mehr. Sie war tot. Er hatte die Wahl. Er musste nicht Klinikleiter werden. Er musste nicht so weitermachen. Aber was sollte er sonst tun? Dieser Aidan musste so eine Art Spezialagent sein. Gesagt hatte er nicht viel, aber diese Krankenstation und das ganze Drumherum mit dem Hubschrauber, das roch nach Regierung. Er fühlte sich so leer, so ausgelaugt. Er hätte es sich einfach machen können und alles auf die Entführung schieben können, aber er wusste, dass es das nicht war. Diese Sache war nur der Anstoß gewesen , über sich und sein Leben nachzudenken. Alles was er getan hatte, war arbeiten. Ja, natürlich hatte er als Hirnchirurg vielen Menschen das Leben gerettet, aber er hatte sich selbst darüber vergessen. Er war jetzt Anfang 40. Wenn er noch eine Familie gründen wollte, dann sollte er langsam damit anfangen.
Mit Scarlett hätte er sich das vielleicht vorstellen können, aber im Nachhinein war ihm klar, dass seine Gefühle für sie nicht mehr als Freundschaft beinhalteten. Rosa hatte ihm Leid getan , und sie war sehr attraktiv gewesen, aber hätte er sich in sie verlieben können? W ohl eher nicht. Nein, etwas war sonnenklar. Er verspürte nicht das geringste Bedürfnis danach ,
Weitere Kostenlose Bücher