Stürmische Verlobung
sich auf dem Absatz um und marschierte den Hügel hinauf zurück zum Landauer.
Regel siebzehn
Mache die Pläne deines Gegners ausfindig, dann verwende sie gegen ihn.
Am nächsten Morgen saß Eliza im Hof vor einer neuen Leinwand und starrte frustriert auf die leere Fläche.
Was sollte sie nur tun? Sie hatte eine Landschaft malen wollen, das blühende Moor von Dunley Parish. Doch ihr geistiges Auge war heute mit Blindheit geschlagen.
Sie konnte jene vertrauten, tröstlichen Weiten von saftig grünem Gras und dürrem Farngestrüpp nicht mehr auferstehen lassen. Es schien keine Rolle zu spielen, dass sie jenen Landstrich im Lauf des vergangenen Jahres wohl ein Dutzend Mal studiert, ja sogar skizziert hatte.
Ein einzelnes Bild verdrängte alle anderen: Magnus . Selbst jetzt war es so, als würde er vor ihr stehen und sie mit einer erschütternden Mischung aus Eifersucht, Zorn und Verwirrung ansehen, wie er es am Serpentine-See getan hatte.
Sie wandte sich von der Leinwand ab, legte das Stück Zeichenkohle auf den Tisch und schob ihre Ölfarben beiseite. Verdammt noch mal. Schlag ihn dir endlich aus dem Kopf .
Doch wie konnte sie das, wenn er immer wieder zurückkam - und ihr sein Herz entblößte, um ihre Liebe zu erflehen? Wie lange konnte sie das noch ertragen?
Magnus wurde die Zeit knapp. Er musste Caroline Peacock heiraten, um Somerton zu retten. Eliza wusste, dass sie nicht länger behutsam vorgehen konnte. Sie musste ihn glauben
machen, musste ihn tief in seiner Seele glauben machen, dass sie ihn nicht liebte.
Doch wie sollte ihr das gelingen? Welches Ränkespiel sie auch immer ersann, es musste kühn sein - doch nicht so waghalsig, dass es in einem Desaster oder gar mit einer Verletzung endete, wie es beinahe dem armen, durchnässten Hawksmoor an der Serpentine ergangen wäre.
In diesem Moment flog die Tür zum Haus auf. Tante Viola kam herausgestürzt. »Du meine Güte. Welch unerwartete Fügung!« Sie trippelte eilig auf den Zehenspitzen heran und wedelte dabei wie wild mit ihrem Gehstock. »Warte nur, bis du das hörst! Warte nur!«
Tante Letitia stürmte hinter Viola auf den Hof. Ellbogen an Ellbogen, Gehstock an Gehstock rangelte sie mit ihrer Schwester um den Vorrang und verschaffte sich schließlich einen Vorsprung, indem sie durch eine Hecke aus dornigen Rosenzweigen pflügte, so dass Dutzende von Knospen und Blütenblättern auf die Pflastersteine herabregneten. »Du lieber Himmel, Eliza, du wirst nicht glauben, was passiert ist! Nie, nie, nie .«
Eliza sprang auf. »Ist etwas Schlimmes geschehen?«
Als Tante Letitia auf sie zugerauscht kam, packte Eliza sie bei den Schultern und hielt sie fest, bevor sie gegen den Tisch mit den Farben lief.
Tante Viola schlug die Hand vor die Brust und rang nach Atem. »Nichts … Schlimmes«, keuchte sie. » G-gute Nachrichten.«
In diesem Moment kam Grace auf den mit Rosenblättern bestreuten Hof. Sie summte fröhlich eine kleine Melodie und trug ganz offensichtlich ihren Kopf in den Wolken. Als sie schließlich Eliza erreichte, strahlte Grace über das ganze Gesicht.
»Willst du mir nicht gratulieren, Schwester?«, fragte Grace.
Eliza ließ die Schultern ihrer Tante los und schüttelte aufgebracht ihre erhobenen Hände. » Wozu soll ich dir gratulieren, bitte sehr? Würde mir endlich jemand erklären, was passiert ist?«
»Oh, lass es mich erzählen«, bat Tante Letitia Grace. »Es ist eine so wunderbare Neuigkeit. Und außerdem bin ich die Matriarchin.«
Tante Viola verschränkte pikiert die Arme vor der Brust. »Die Matriarchin. Ich muss schon sagen, du sitzt heute aber wieder einmal auf dem hohen Ross.«
»Nun, ich bin die Ältere.«
»Nur um drei Minuten!«, gemahnte Tante Viola sie.
Grace hob gebieterisch die Hand. »Es ist meine Neuigkeit, also werde ich es Eliza erzählen.« Sie raffte schwungvoll ihren Rock und nahm stolz erhobenen Hauptes auf dem gusseisernen Gartenstuhl neben Eliza Platz. »Lord Hawksmoor hat bei unseren Tanten um meine Hand angehalten«, erklärte sie sehr ruhig. Doch dann konnte sie sich nicht länger beherrschen und platzte überglücklich heraus: »Wir sind verlobt!«
»Stimmt das wirklich?« Eliza sah ihre Tanten an, um es sich von ihnen bestätigen zu lassen.
»Es stimmt. Lord Hawksmoor ist erst vor wenigen Minuten gegangen«, sagte Tante Viola. Ihre Schwester nickte zustimmend und ihr Doppelkinn wackelte schwungvoll dabei.
Grace hielt sich die Hand über die Augen, um sich vor der grellen Sonne zu schützen.
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