Stuermischer Zauber
Macht in den Dienst der Rebellion zu stellen?
Mit einem leisen Poltern sprang Lionel vom Bibliothekstisch herunter und auf ihren Schoß. Er setzte sich auf seine Hinterbeine und schmiegte seine schnurrbärtige Wange an sie. Dankbar streichelte sie ihn. Seine Fähigkeit, ihre Stimmungen zu spüren, war bemerkenswert. Vielleicht war er tatsächlich ihr Seelenfreund. Manchmal hatte sie sich schon gefragt, ob er durch Wände gehen konnte, obwohl das eine weltliche Erklärung für seine Fähigkeit war, immer dann aufzutauchen, wenn sie sich nach Gesellschaft sehnte.
Sie schmiegte ihr Gesicht an das weiche Katzenfell. Duncan hat mir nie einen Grund gegeben, an seiner Treue zu zweifeln, dachte sie. Ja, er hegte Sympathien für die Sache der Rebellen, doch von dieser Sympathie war es ein weiter Weg zum Hochverrat. Sie musste hoffen, dass der Weg weit genug war.
Die Tür zur geheimen Bibliothek öffnete sich, und Jean trat ein. Gwynne blinzelte, und Lionel sprang von ihrem Schoß, um unter dem Tisch Schutz zu suchen. »Es ist das erste Mal, dass ich dich hier sehe. Ich war mir nicht sicher, ob du den Weg kennst.«
»Ich musste nur herkommen, wenn ich dich finden will«, sagte Jean mit einer unwiderlegbaren Logik. Sie warf sich in einen Sessel. »Ich habe gehört, die Jakobiten-Armee marschiert nach Süden in Richtung Carlisle. Stimmt das?«
Gwynne öffnete die Hand, in der sie noch immer den Wahrsagespiegel hielt. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, die Wege der Rebellion nachzuzeichnen, allein um Jeans Neugier zu befriedigen. Doch ihr fiel kein guter Grund ein, ihr den Wunsch abzuschlagen. Sie atmete langsam ein und aus, ehe sie sich auf Jeans Frage konzentrierte. »Ja, die Armee ist auf dem Weg nach Süden. Sie sind bisher auf keinen Widerstand gestoßen, und soweit ich es sehe, haben sie auch keinen Widerstand zu erwarten.«
»Ausgezeichnet!« Jean sprang auf und lief aufgeregt auf und ab. »Ich hatte das Gefühl, dass sie ohne Gegenwehr nach England einmarschieren werden, aber ich war mir nicht sicher, ob ich mich auf meine eigene Vorahnung verlassen kann. Daher habe ich gehofft, du könntest sie mir bestätigen. Und das hast du.«
Gwynne seufzte. »In unmittelbarer Zukunft wird es zu keiner Schlacht kommen, doch bevor diese Rebellion vorbei ist, werden viele ihr Leben verlieren. Das garantiere ich dir.« Die Bilder voller Gewalt, die sie sah, seit sie Duncan kennengelernt -und geküsst – hatte, waren noch immer sehr einprägsam.
»Es kommt immer wieder zu Kriegen«, erwiderte Jean einfach. »Mir gefällt es auch nicht, doch einige Dinge sind es wert, für sie zu kämpfen und zu sterben. Männer, die Soldaten werden, kennen die Risiken, die sie damit eingehen. Jeden Tag sterben Männer an Krankheiten, bei Unfällen oder Wirtshausschlägereien. Ist es nicht besser, sein Leben einer noblen Sache zu widmen?«
Duncan hat recht, befand Gwynne. Es gab wirklich diesen Highland-Wahnsinn, sobald es zum Krieg kam. »Kluge Worte, Jean. Doch Krieg strahlt seine Wellen in alle Richtungen aus und betrifft nicht nur die edlen Soldaten, sondern auch die Frauen und Kinder und die verwahrlosenden Felder, wenn ihre Besitzer tot sind. Das ist der Grund, warum die Wächter beinahe immer den Frieden unterstützen.«
»Die Familien unterstützen das, was für die meisten Menschen im Laufe der Zeit gut ist«, erwiderte Jean. »Aber Uneinigkeit darüber, was auf lange Sicht gut sein wird, ist nicht ungewöhnlich. Selbst Duncan, der sein Bestes gegeben hat, das zurückhaltende Handeln des Konzils zu akzeptieren, ist nicht überzeugt, dass die Hannoveraner diesem Land guttun. Es wird Krieg … und viele Tote geben. Wir müssen hoffen, dass das Blut aus dem richtigen Grund vergossen wird.«
»Zumindest darin sind wir uns einig.« Gwynne neigte ihren Kopf zur Seite. »Ich bin überrascht, dass du noch nicht nach Edinburgh gegangen bist, wie du es zuletzt überlegt hast.«
»Mir gefiel der Gedanke, unter anderen Jakobiten zu sein«, gestand Jean. »Aber ich wusste, dass die Armee schon bald die Gegend verlassen würde. Mit deiner Wahrsagekunst werde ich mehr darüber wissen, was vor sich geht, als wenn ich in Edinburgh weilte.« Ihr Gesicht wurde ernst. »Wird Robbie in den Kämpfen sterben?«
Eine Welle tiefer Trauer überschwemmte Gwynne. Sie brauchte einen Moment, ehe sie antwortete. »Ich bin besser darin zu sehen, was in diesem Augenblick anderswo passiert, statt in die Zukunft zu schauen.«
Jeans bewegte Gesichtszüge wurden
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