Stuermischer Zauber
reglos. »Du denkst, er wird sterben.«
»Ich weiß es wirklich nicht. Er ist in großer Gefahr«, sagte Gwynne ehrlich. »Ich habe Angst um ihn, doch ich denke, er wird nicht zwangsläufig in der Schlacht fallen.«
»Ich wünschte, ich wäre ein Mann und könnte in den Krieg ziehen!«, rief ihre Schwägerin leidenschaftlich. »Noch besser wäre es, wenn ich meine Kräfte entwickelt hätte, um jetzt die Sache des Prinzen zu unterstützen.«
Gwynne schnappte wahrhaftig erschrocken nach Luft. »Du würdest es riskieren, von den Familien verbannt zu werden?«
»Hierfür würde ich es riskieren, ja!« Jean starrte ihre Schwägerin an. Ihre grünen Augen blitzten so wild wie die einer Katze. »Wir schwören Eide, aber man lehrt uns auch, auf unser Herz und unsere Seele zu hören. Das Haus Hannover ist schwach und unfähig, England zu regieren. Sie sind erst recht nicht in der Lage, Schottland zu beherrschen. Ich werde meine Pflicht tun, wo ich sie sehe – und ich wünschte mir lediglich, über mehr Macht zu verfügen, um sie in die Dienste des Prinzen zu stellen.«
Zum ersten Mal war Gwynne froh, dass die junge Frau sich in den vergangenen Jahren vor der Verantwortung ihrer eigenen Macht gedrückt hatte. Obwohl die Lehren der Wächter oftmals den Charakter des Lernenden stabilisierten und Jean vermutlich davon profitiert hätte. »Warum arbeitest du nicht an deiner Fähigkeit zum Wahrsagen? Da du dich so sehr um die Belange der Rebellion sorgst, wirst du vielleicht feststellen, dass du die Ereignisse leicht verfolgen kannst.«
Jean hielt in ihrer rastlosen Wanderung inne und verzog das Gesicht. »Du versuchst nur, mich zum Lernen zu bringen, stimmt's? Aber es ist keine schlechte Idee.«
Wortlos reichte Gwynne ihr Isabels Obsidianscheibe.
»Die hat bei mir nie funktioniert.« Jean hielt sie in einer Hand und richtete ihren Blick auf das Innere der Scheibe. »Interessant. Ich sehe nichts, doch der Obsidian fühlt sich jetzt lebendig an. Das war vorher anders. Du hast ihn nach einem langen Schlaf wieder zum Leben erweckt.« Sie gab den Kristall zurück.
Gwynne lachte in sich hinein, als sie ihn entgegennahm. »Ich hätte nie gedacht, dass ich froh sein würde, wenn ein Stein mich mag. Du hast wohl einen Wahrsagespiegel geschenkt bekommen, als du mündig geworden bist.« Als Jean nickte, fuhr Gwynne fort: »Möchtest du ihn holen, damit wir gemeinsam üben können? Da diese Fertigkeit auch für mich neu ist und ich noch immer lerne, kenne ich vielleicht ein paar nützliche Kniffe, um die Technik zu verbessern. Erfahrene Wahrsager haben diese meist schon vergessen.«
»Ich werde meinen Wahrsagespiegel holen. Und ich werde uns Tee und frische Scones mit Marmelade mitbringen.« Sie stand an der Tür, und ihre Hand ruhte bereits auf dem Türknauf. »Ich hoffe, wir können Freunde bleiben, auch wenn wir auf gegnerischen Seiten stehen, Gwynne«, fügte sie hinzu.
»Ich stehe auf der Seite des Friedens, Jean. Ich denke, dass nur wenige Frauen auf der Seite des Krieges stehen.«
Jean zögerte, ehe sie knapp nickte und die Bibliothek verließ.
Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn die Frauen an der Macht wären, entschied Gwynne.
25. Kapitel
Gwynne unternahm den flüchtigen Versuch, ihr Haar zu glätten, als sie von der Bibliothek in die Haupthalle eilte. Das Gute an den freitagabendlichen Zusammenkünften war, dass sie nicht so formell waren. Jean und sie hatten sich so ins Wahrsagen vertieft, dass sie die Zeit vergessen hatten. Ihre Schwägerin hatte ihre Sache sehr gut gemacht. Sie behauptete, es läge daran, dass sie eine gute Lehrerin habe. Aber Gwynne vermutete, dass das Mädchen sich jetzt, da es einen guten Grund hatte, die Macht zu nutzen, mehr anstrengte als in jener Zeit, als es nur widerstrebend das Wahrsagen hatte lernen wollen. Es mangelte Jean wirklich nicht an Talent.
Am Fuß der Treppe verharrte Gwynne und atmete bewusst durch. Sie hatte schnell eine tiefe Zuneigung zu dieser wöchentlichen Zusammenkunft entwickelt. Die warme, entspannte Atmosphäre vermittelte ihr das Gefühl, ein Teil dieser weit verzweigten Familie zu sein, und das auf eine Art, die ihr in Harlowe nie vergönnt gewesen war. Dort war sie die Kindsbraut des alten Earls gewesen, verhätschelt, aber nicht sehr wichtig für das Leben im Haushalt. Hier fühlte sie sich sicher und akzeptiert – Letzteres war ihr angesichts ihrer englischen Wurzeln besonders wichtig.
Gwynne ging in der Halle herum und plauderte mit den Leuten,
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