Stuermischer Zauber
Jakobitin zu sein.
Als sie anmutig zur Tür schwebte, nahm sie Einblick in das Wesen des Offiziers. Er war fast vierzig Jahre alt, ein ehrenvoller und erfahrener Soldat, der die Ausschreitungen gegen Zivilisten verabscheute, die nach der Schlacht ihren Lauf genommen hatten. Er würde nicht zögern, seine Pflicht zu erfüllen, doch ebenso wenig würde er nach Vorwänden suchen, um Verhaftungen vorzunehmen. Das war gut.
»Willkommen auf Dunrath«, sagte sie warm. »Nach diesem langen, entsetzlichen Winter könnt Ihr Euch nicht vorstellen, wie froh ich bin, ein manierliches Gesicht zu sehen.«
Der Colonel verneigte sich höflich. Als er sich aufrichtete und ihr ins Gesicht blickte, platzte er heraus: »Lady Brecon! Was tut Ihr denn in Schottland?« Seine Miene zeigte sowohl Wiedererkennen als auch fassungslose Bewunderung.
Sie musste ihm irgendwo in London begegnet sein. Ja, vor Jahren auf einem großen Ball! Sie hatten miteinander getanzt, kaum erinnerungswürdig, aber er musste adeliger Abstammung sein, um sich in diesen höheren Kreisen zu bewegen.
»Wie schön, Euch wiederzusehen, Colonel! Ich bin nun Lady Ballister. Mein geliebter Brecon starb vor zwei Jahren. Ich konnte mir nie vorstellen, einen barbarischen Schotten zu heiraten, aber Ballister hat mich einfach letzten Sommer von den Füßen gerissen.« Sie lachte ironisch. »Ich fürchte, ich habe mir einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht, um in den Norden zu ziehen.«
»Doch der Norden bekommt Euch gut, Lady Ballister.«
»Ihr schmeichelt mir, Sir«, sagte sie mit dem Hauch eines Tadels in der Stimme. Er musste sie als eine tugendhafte Frau wahrnehmen. Die Sorte Frau, die keine Rebellen in ihrem Keller verstecken würde.
Ihrem Geist wurde ein tieferer Einblick in Ormonds Seele gewährt. Er war frisch verheiratet mit einer jungen Schönheit, und er wollte glauben, dass eine schöne Frau auch dann tugendhaft sein konnte, wenn ihr Mann monatelang fort war. Gwynne veränderte ihre Bezaubernden-Macht gerade so, dass der Colonel sie als eine treue und liebende Ehefrau wahrnahm – die Art Frau, die er am ehesten billigte.
Sie konnte seine unterschwellige Reaktion auf die Veränderung ihrer Energie spüren. Er bewunderte sie noch immer, doch akzeptierte er sie nun als eine keusche Ehefrau, die seines Schutzes bedurfte. Er blickte sich um. »Die meisten schottischen Schlösser, die ich bisher gesehen habe, sind wahre Festungen, aber hier in Dunraths privaten Räumen könnte ich mich tatsächlich in England wähnen.«
»Ich bin nicht die erste englische Braut, die es nach Dunrath verschlagen hat. Die Macraes haben hier eine Oase der Zivilisation erschaffen.« Gwynne hoffte, mit ihren Worten zum Ausdruck zu bringen, dass die Familie viel englisches Blut in sich trug und keine jakobitischen Neigungen verspürte.
Gwynne schaute am Colonel vorbei und machte eine kleine scheuchende Handbewegung. »Die Erfrischungen, Annie. Und kümmere dich darum, dass die Männer des Colonels in die große Halle eingeladen werden und man ihnen etwas Warmes serviert. Es ist weder für Mann noch Tier das richtige Wetter, um draußen zu sein.«
Als das Mädchen verschwunden war, sank Gwynne auf eines der Sofas. Ihre Seidenröcke raschelten üppig. »Ich schwöre Euch, die einheimischen Diener sind auf dem besten Wege, mich in den Wahnsinn zu treiben. Sie haben einfach keine Ahnung, was sich geziemt. Bitte setzt Euch, Colonel. Erzählt mir, was es Neues gibt.«
Er nahm in dem Sessel ihr gegenüber Platz. »Die Neuigkeiten sind gut, Ihr habt sicher davon gehört.«
»Diese entsetzliche Rebellion! Ich habe mir ernsthaft überlegt, nach London zurückzukehren, aber ich konnte es nicht ertragen, von diesem dummen italienischen Abenteurer aus meinem Haus vertrieben zu werden.« Sie glättete eine Falte in ihren Röcken. »Es ist so eine Erleichterung zu wissen, dass die Kämpfe vorbei sind. Man sagt, Cumberland habe die Jakobiten in einer großen Schlacht nahe Inverness geschlagen. Ist das so?«
»Das hat er tatsächlich, Lady Ballister. Aber die Rebellion wird nicht vorbei sein, bis nicht der letzte Rebell in den Highlands aufgestöbert worden ist.«
Annie betrat mit einem Tablett den Raum. Darauf befanden sich neben dem Tee eine kleine Flasche Whiskey und Essen, das reich bemessen war, um einen hungrigen Soldaten zu sättigen. Gwynne goss Tee ein, dann hielt sie die Flasche über die Tasse des Offiziers. »Colonel Ormond?«
Nach kurzem Zögern sagte er: »Das wäre mir durchaus
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