Stuermischer Zauber
zu Gwynnes vager Idee, nach diesem erfüllten Tag ein stilles Nachtmahl in ihren eigenen Räumen einzunehmen. »Also gut, ich werde genau zusehen.«
»Als ich dich das erste Mal sah, dachte ich, du wärst eine schreckliche Lady aus London«, sagte Jean verlegen. »Ich bin so froh, dass du nicht so bist.«
»Kein Wunder, dass du so erschrocken aussahst, als wir uns begegneten. Das, was an mir am meisten an London erinnert, ist meine Garderobe, Jean. Ich bin an ein ruhiges Leben mit Büchern und Pferden gewöhnt.« Eine schwere Pfote landete erneut auf ihrem Bein. »Und mit Katzen.« Sie blickte stirnrunzelnd auf Lionel herunter, der bemerkenswert besitzergreifend zu sein schien. »Denkst du, er versteht Englisch?«
»Das würde mich nicht überraschen. Gekreuzte Katzen sind sehr klug und den Menschen gegenüber, für die sie sich entscheiden, sehr loyal.« Jean stand auf. »Wir essen in einer halben Stunde zu Abend. Ich werde dir deine Zofe schicken, damit sie dir beim Ankleiden hilft.«
Jean ging … Lionel nicht. Stattdessen rollte er sich auf den Rücken und streckte die großen Pfoten in die Luft, damit Gwynne seinen gestreiften Bauch kraulte. Als sie ihm diesen Gefallen tat, fragte sie sich, wie Duncan und der Kater wohl miteinander auskommen würden. Diese Festung bot nur für einen König Platz …
Es waren rund zwanzig Leute in der großen Halle versammelt, als Gwynne sich zu ihnen gesellte. Weitere Gäste strömten durch die Eingangstür. Feuer flackerten in den beiden Kaminen, und die aufgebockten Tische, die normalerweise an die Wand gerückt waren, waren in der Mitte des Raumes zu einer langen Tafel zusammengeschoben. Vier Kandelaber aus massivem Silber standen auf den Tischen.
Gwynne hatte irgendwie gedacht, es würde sich um einen formellen Anlass handeln, aber die Atmosphäre war warm und entspannt. Duncan durchquerte die Halle und gesellte sich zu Gwynne, als er sie sah. Der Ausdruck auf seinem dunklen Gesicht war wachsam. Obwohl sie ihren Streit beigelegt hatten, war es unmöglich, nicht daran zu denken. »Mir ist gerade erst eingefallen, dass ich dir nicht von den Freitagabend-Zusammenkünften erzählt habe.«
»Jean hat es getan.« Gwynne blickte sich in der Halle um. Die Leute redeten ungezwungen miteinander, und viele tranken Ale aus Krügen. »Das hier ist so anders als in England. Die Diener in Harlowe wurden gut behandelt, aber sie saßen nie mit der Familie an einem Tisch.«
»Da jeder in Dunrath mehr oder weniger mit den anderen verwandt ist, ist dies eine Familienzusammenkunft. Isabel de Cortes hat diesen Brauch begründet. Sie dachte, wir sollten uns jede Woche die Zeit nehmen, unsere Segnungen zu feiern. Nicht so festlich wie in der Kirche, sonder voller Freude.«
Ein tiefer, melodischer Ton dröhnte durch die Halle. Von den Steinwänden wurde das Echo zurückgeworfen. Gwynne machte einen Satz. »Was war das?«
»Ein Gong aus China.« Duncan grinste und reichte ihr seinen Arm. »Wir auf Dunrath mögen es vielseitig. Darf ich Euch an Euren Platz geleiten, Mylady?«
Mit einem Lächeln hakte sie sich bei ihm unter. Sein Platz befand sich an der Kopfseite des Tisches, und er setzte sie neben sich. Ein weiteres Zeichen dafür, wie informell dieser Abend war. Nachdem jeder seinen Platz gefunden hatte, betrat Jean die Halle. Sie trug eine dünne, brennende Kerze. Als sie die Kerzen auf dem Tisch entzündete, verstummte das Plaudern, und ein angenehmes Schweigen senkte sich über die Tafel.
Schließlich verbreiteten die Kandelaber ihr warmes Licht. Jean schritt zu ihrem Stuhl am anderen Ende des Tisches, gegenüber von Duncan. Ehe sie sich hinsetzte, verkündete sie mit klarer Stimme: »Dies ist das letzte Mal, dass ich als Herrin von Dunrath handeln werde. Willkommen in Glen Rath, Gwyneth Owens.« Sie machte mit beiden Armen eine Geste in Richtung ihrer Schwägerin, die Handflächen nach oben gewandt. »Willkommen, meine Familie, meine Freunde.« Eine weitere Geste, während ihr Blick über die Versammlung glitt. »Und willkommen ist uns auch jeder Besucher, der sich heute Abend zu uns gesellt.« Jean lächelte Robbie Mackenzie warm an. Erneut machte sie die alle umfassende Geste, ehe sie sich setzte. »Und jetzt lasst uns für die Segnungen danken, für die Familie, das Essen und die Gemeinschaft.« Sie bedeckte ihre Augen mit den Händen, und die Gäste folgten ihrem Beispiel.
Gwynne machte es Jean nach, aber sie betete nicht, denn sie beschäftigten unzählige Fragen. Als das
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