Stuermischer Zauber
schwach und hinterlistig. Wenn er König wird, könnte das eine Katastrophe sein, die weitaus schlimmer wäre als Prinz Edward Charles auf dem Thron.«
»Vielleicht, doch ein Stuart auf dem Thron fühlt sich für mich … beängstigend an. Wenn mir nur der Wahrsagespiegel mehr verraten könnte!«, rief sie frustriert.
»Wir müssen geduldig sein. Die Ereignisse werden sich uns rechtzeitig offenbaren.«
Von Geduld konnte man leicht reden. Es war beinahe unmöglich, sie aufzubringen.
Müde von den emotionalen Anforderungen des Tages, kehrte Gwynne für ein spätnachmittägliches Nickerchen in ihr Gemach zurück. Allein den Obsidianspiegel von Isabel zu entdecken war für den ersten Tag auf Dunrath genug Aufregung. Sie hätte gut ohne den wütenden Kampf und die anschließende Versöhnung mit Duncan auskommen können, obwohl sie vermutete, dass die Auseinandersetzung unausweichlich gewesen war und die Luft gereinigt hatte. Auf der anderen Seite … wenn alle Streitereien mit ihrem Mann mit so atemberaubender Leidenschaft endeten, wurde sie dafür zumindest entschädigt …
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht schlummerte sie ein und wachte auf, als jemand an ihre Tür klopfte.
»Gwynne, darf ich reinkommen?« Es war Jean.
Gwynne setzte sich auf und gähnte. Sie schob die Decke beiseite. »Ja, komm nur.«
Jean betrat den Raum. Ihr Gesicht war von der frischen Luft und einem inneren Strahlen rosig. Heute trug sie ein ordentliches grünes Reitkleid, das zu ihrem hellen Haar und der blassen Haut passte. »Ich bin mit Robbie ausgeritten. Er muss morgen zum Heer zurückkehren, aber heute Nacht bleibt er bei uns.«
»Schön. Ich würde ihn gerne besser kennenlernen.« Gwynnes Blick wurde von einer geschmeidigen Kreatur gefangen genommen, die Jean auf den Fersen folgte. Das Tier sprang nur wenige Zentimeter von Gwynne entfernt auf das Bett und betrachtete sie aus unheilvoll grünen Augen. Das getigerte Fell glänzte seidig. Es war eindeutig ein katzenartiges Tier, doch so eine Katze hatte sie noch nie gesehen.
Nachdem sie ihre Musterung beendet hatte, stieß die Katze, offensichtlich um Aufmerksamkeit bettelnd, mit dem Kopf gegen Gwynnes Rippen. Automatisch kraulte sie sie hinter den buschigen Ohren. »Ist das eine typisch schottische Katze? Sie ist ja riesig!«
»Lionel scheint von dir sehr angetan zu sein.« Jean setzte sich auf den Stuhl vor der Frisierkommode. »Sein Vater war eine Wildkatze. Das erklärt seine Größe und seine Arroganz. Er kommt und geht, wie es ihm gefällt, aber bis jetzt hat er nicht viel Interesse an Menschen gezeigt.«
»Eine Wildkatze? Ich habe noch nie eine gesehen. Nicht mal eine halbe Wildkatze. Du hast einen hübschen, buschigen Schwanz, Lionel.« Gwynne streichelte seinen Rücken. Er begann zu schnurren und krallte sich mit den Pfoten in ihren Oberschenkel.
Jean grinste. »Ich glaube, du hast ein neues Haustier. Kreuzungen sind dafür bekannt, sich nur an eine Person zu binden. Isabel de Cortes hatte auch einen Kater.«
»Autsch! Du hast aber beeindruckende Krallen!« Gwynne hob seine Pfoten von ihrem Bein herunter. Jetzt, da Jean es erwähnte, fiel ihr die Ähnlichkeit zwischen Lionel und der Katze auf, die neben Isabel auf dem Porträt abgebildet war. »Wie kann man sich von einer übereifrigen Wildkatze wieder lösen?«
»Das geht nicht. Wenn du eine Hexe wärst, würdest du Lionel als deinen Vertrauten in Erwägung ziehen.«
»Wächter haben keine Vertrauten.«
Lionel streckte die Pfote aus und grub seine Krallen in ihren Rock, als wollte er sagen: »Meins!«
Gwynne lachte. »Ich musste meine alte, geliebte Tigerkatze in England zurücklassen. Ich hatte überlegt, mir eine neue zu suchen, doch ich habe nicht erwartet, von so einem Vieh adoptiert zu werden.«
»Du gehörst hierher, Gwynne. Lionel ist nur ein weiteres Zeichen dafür. Aber der Grund, warum ich hereingeschaut habe, war der: Ich möchte dir von unserem traditionellen Freitagabendessen erzählen. Hast du schon davon gehört?«
Gwynne schaute aus dem Fenster, wo die Sonne langsam unterging. »Nein, und da heute Freitag und bald Zeit fürs Abendessen ist, erfahre ich es besser rasch.«
»Die Familie, die Dienerschaft und eine ständig wechselnde Gruppe von Kleinbauern essen gemeinsam in der großen Halle«, erklärte Jean. »Es gibt ein kleines Ritual, das von der Herrin des Haushalts durchgeführt wird. Ich habe es bisher vollzogen, aber nach dem heutigen Abend wird es in Zukunft deine Pflicht sein.«
So viel
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